Tiefsee
ein immer gleichbleibendes Lächeln. Hätten das Justizministerium und die Hälfte der mit dem Gesetzesvollzug betrauten Organe des Landes eine Reihe von ungelösten Verbrechen auf See abschließen wollen, hätten sie ihn an der nächsten Laterne aufhängen müssen, aber seltsamerweise hatte niemand je von ihm gehört. Er hielt sich im Schatten seiner Großmutter, er war nicht einmal als Direktor oder Angestellter der Reederei Bougainville im Handelsregister eingetragen.
Dennoch war er es, das ungenannte Familienmitglied, der alle schmutzigen Geschäfte besorgte und damit die Grundlagen der Firma schuf.
Er war zu peinlich genau, um sein Schicksal gemieteten Helfern anzuvertrauen, und leitete lieber die höchst gewinnbringenden ungesetzlichen Operationen aus der vordersten Reihe.
Seine Tätigkeit führte oft zu Blutvergießen, und selbst vor Morden scheute er nicht zurück, wenn es um Gewinne ging, und war bei einem Geschäftsessen im Klub »21« ebenso zu Hause wie bei einem Mord im Hafengelände.
Er saß in respektvoller Entfernung von Min Korjos Bett und hielt eine lange, silberne Zigarettenspitze zwischen seinen unregelmäßigen Zähnen. Sie war dagegen, daß er rauchte, aber er hielt daran fest, nicht so sehr um des Vergnügens willen, denn als ein kleines Zeichen seiner Unabhängigkeit.
»Morgen wird das FBI wissen, auf welche Art der Präsident verschwunden ist«, sagte Min Korjo.
»Das bezweifle ich«, widersprach Lee Tong zuversichtlich.
»Ihre chemischen Analysen sind zwar gut, aber so gut auch wieder nicht. Ich würde eher sagen, in drei Tagen. Und dann dauert es noch eine Woche, bis sie das Schiff finden.«
»Zeit genug, damit alle für uns verräterischen Spuren verwischt werden können?«
»Zeit genug,
aunumi
«, bestätigte Lee Tong, der sie mit dem koreanischen Wort für Mutter ansprach. »Sei beruhigt, alle Spuren führen ins Grab.«
Min Korjo nickte. Die Schlußfolgerung war kristallklar: Das Team von sieben Mann, das Lee Tong bei der Entführung geholfen hatte, war von ihm eigenhändig liquidiert worden.
»Noch immer nichts Neues aus Washington?« fragte sie.
»Kein Wort. Das Weiße Haus benimmt sich, als wäre nichts vorgefallen. Sie lassen sogar einen Doppelgänger als Präsidenten auftreten.«
Sie sah ihn an. »Wie hast du das erfahren?«
»Aus den Sechs-Uhr-Nachrichten. Die Fernsehkameras zeigten den Präsidenten, wie er an Bord der Air Force One stieg, um auf seine Farm in New Mexico zu fliegen.«
»Und die anderen?«
»Sie scheinen für sie gleichfalls Ersatzleute zu haben.«
Min Korjo trank einen Schluck Tee. »Irgendwie kommt es mir widersinnig vor, daß wir nun darauf angewiesen sind, daß Außenminister Oates und das Kabinett des Präsidenten ein erfolgreiches Täuschungsmanöver durchführen, bis Lugowoj soweit ist.«
»Sie haben schließlich keine andere Möglichkeit. Sie werden erst wagen, eine Erklärung abzugeben, wenn sie wissen, was mit dem Präsidenten geschehen ist.«
Min Korjo betrachtete die Teeblätter auf dem Grund ihrer Tasse. »Dennoch glaubte ich diesmal, daß wir einen zu großen Bissen geschnappt haben.«
Lee Tong nickte. »Ich verstehe,
aunumi
.
Die Kongreßabgeordneten waren nur zufällige Fische im selben Netz.«
»Aber nicht Margolin. Es war doch dein Plan, ihn auf die Jacht zu locken.«
»Stimmt, aber Alexej Lugowoj hat erklärt, daß seine Experimente nur in elf von fünfzehn Fällen erfolgreich waren.
Kein ideales prozentuales Verhältnis. Wenn er beim Präsidenten keinen Erfolg hat, verfügt er über ein weiteres Versuchskaninchen, um das gewünschte Resultat zu erreichen.«
»Du meinst
drei
Versuchskaninchen.«
»Wenn du Larimer und Moran in die Nachfolge einbeziehst, ja.«
»Und wenn Lugowoj in allen Fällen Erfolg hat?«
»Um so besser«, antwortete Lee Tong. »Dann würde unser Einfluß weiter reichen, als wir ursprünglich zu hoffen wagten.
Aber manchmal kommen mir Zweifel,
aunumi
, ob der finanzielle Gewinn es wert ist, daß wir Gefängnis und den Verlust unserer Firma riskieren.«
»Vergiß nicht, Enkel, die Amerikaner haben meinen Mann, deinen Vater und seine beiden Brüder im Krieg getötet.«
»Rache ist kein guter Berater.«
»Um so mehr Grund haben wir, unsere Interessen zu schützen und uns vor einem Betrug seitens der Russen zu hüten. Präsident Antonow wird alles tun, was in seiner Macht steht, um uns um unser Honorar zu prellen.«
»Sollten sie dumm genug sein, uns in diesem entscheidenden Stadium zu
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