Tiefsee
eingegeben, der daraufhin seine automatische Diagnose der Todesursache mitteilt. Ich vereinfache den Vorgang natürlich ziemlich, aber das ist die allgemeinverständliche Beschreibung.«
»Ich nehme an, daß Ihre Datenbanken Ernährungs- und Stoffwechselstörungen berücksichtigen, die mit allen bekannten Giften und ansteckenden Krankheiten in Zusammenhang stehen«, warf Emmett ein. »Die gleiche Information wie unsere Computeraufzeichnungen im Büro.«
Thornburg nickte. »Ja. Nur sind unsere Daten umfassender, weil wir es gelegentlich auch mit lebendigem Gewebe zu tun haben.«
»In einem Pathologie-Labor?« fragte Lucas.
»Wir untersuchen auch Lebende. Wir erhalten häufig von unseren Geheimdiensten – und auch von unseren Verbündeten – Außenagenten, denen Giftstoffe injiziert wurden oder die künstlich mit einer ansteckenden Krankheit infiziert wurden und noch am Leben sind. Mit RAS können wir die Ursache schnellstens feststellen und ein Gegenmittel empfehlen. Wir haben schon einige gerettet, die meisten kommen jedoch zu spät hierher.«
»Sie können in wenigen Sekunden eine vollständige Analyse vornehmen und die Ursache bestimmen?« fragte General Metcalf ungläubig.
»In Wirklichkeit sogar in Mikrosekunden«, verbesserte ihn Thornburg. »Statt die Leiche zu öffnen und eine umfangreiche Reihe von Tests durchzuführen, können wir es jetzt im Hand umdrehen mit einem vervollkommneten Gerät schaffen, das den Steuerzahler, das muß ich hinzufügen, ungefähr dreißig Millionen Dollar kostet.«
»Was haben Sie an den Leichen aus dem Fluß festgestellt?«
kam Mercier zum eigentlichen Kern des allgemeinen Interesses.
Thornburg lächelte wie auf ein Stichwort und klopfte einem Techniker auf die Schulter, der vor einer riesigen Schalttafel mit Lampen und Knöpfen saß. »Ich werde es Ihnen vorführen.«
Instinktiv wandten sich alle Augen der nackten Leiche auf der Bahre zu. Sie bewegte sich langsam auf die Turbine zu und verschwand in dem zentralen Zylinder. Dann begann die Turbine sich mit sechzig Umdrehungen pro Minute zu drehen.
Die Röntgengeräte, die um die Leiche angeordnet waren, schossen der Reihe nach Bilder, die von einer Vielzahl von Kameras auf einen Leuchtstoffschirm übertragen wurden, eine Vergrößerung erfuhren und mit den Ergebnissen in die Computerbank sich einspeicherten. Bevor sich einer der Männer im Laborkontrollraum umdrehen konnte, leuchtete auch schon die Todesursache der Leiche in grünen Buchstaben in der Mitte des Bildschirms auf. Die meisten Begriffe entstammten der anatomischen Terminologie, beschrieben die inneren Organe, ermittelten die Giftmenge und deren chemische Kurzbezeichnung. Am unteren Rand standen die Worte
Conium maculatum
.
»Was zum Teufel ist
Conium maculatum?«
fragte Lucas laut.
»Es gehört zur Familie der Petersiliengewächse«, erklärte Thornburg, »besser bekannt als Schierling.«
»Eine eher antike Hinrichtungsart«, bemerkte Metcalf.
»Ja, Schierling war im Altertum sehr beliebt. Am bekanntesten als der Trank, der dem Philosophen Sokrates verabreicht wurde.
Wird heutzutage selten verwendet, ist aber leicht aufzutreiben und mit Sicherheit tödlich. Eine genügend große Dosis lähmt die Atmungsorgane.«
»Wie wurde er verabreicht?« erkundigte sich Emmett. »Laut RAS wurde das Gift von diesem speziellen Opfer zusammen mit Pfefferminzeis gegessen.«
»Tod zum Dessert«, murmelte Mercier gleichmütig.
»Von den Besatzungsangehörigen der Küstenwache, die wir identifiziert haben«, fuhr Thornburg fort, »nahmen acht den Schierling mit dem Eis, vier mit Kaffee und einer mit einem alkoholfreien Diätgetränk ein.«
»Das alles konnte RAS bei den Leichen feststellen, die fünf Tage im Wasser gelegen hatten?« fragte Lucas verblüfft.
»Die Verwesung setzt unmittelbar nach dem Tod ein«, dozierte Thornburg, »und pflanzt sich von den Eingeweiden und den übrigen Organen, die Körperbakterien enthalten, nach außen fort. Bei Zutritt von Luft schreitet der Prozeß rasch fort. Wenn sich die Leiche aber unter Wasser befindet, wo der Sauerstoffgehalt gering ist, geht die Verwesung sehr langsam vor sich. Der Konservierungsfaktor, der uns zustatten kam, entstand durch das Eingeschlossensein der Leichen. Ein Ertrunkener zum Beispiel wird nach wenigen Tagen an die Oberfläche treiben, weil sich die Verwesungsgase ausdehnen, und durch die Einwirkung der Luft wird die Verwesung beschleunigt. Die Leichen, die Sie hierher brachten, befanden sich jedoch
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