Tiefseeperle
keinen entsprechenden Status innehatte.
Nein, so etwas wollte sie unter keinen Umständen mehr erleben. Maximilian würde sie begleiten und ihr helfen. Sie durfte ihn nicht weiter mit dem Grafen betrügen, das hatte er nicht verdient. Sie musste dieses Spiel beenden – sie durfte diesen Mann, ihren bizarren Gebieter, nicht mehr wiedersehen.
Ihre Gefühle für diesen geheimnisvollen Liebhaber waren intensiver gewesen, als sie es sich hatte eingestehen wollen. Doch es galt, die Notbremse zu ziehen.
Leise ging sie ins Wohnzimmer und griff nach ihrem Smartphone. Sie wollte das nun sofort hinter sich bringen. Doch was sollte sie ihrem unbekannten bizarren Liebhaber schreiben? Sollte sie sich offenbaren, dass sie nicht mehr die Kraft besaß, sich auf ein solches Doppelspiel einzulassen? Interessierte das überhaupt einen Spieler, wie der Graf es ohne Zweifel war?
Sollte sie Stärke zeigen? Die Sub war sie doch nur im Spiel … sonst war sie doch taff!
Doch seltsamerweise konnte sie nicht so geschickt wie sonst ihre Sätze formulieren und dem ganzen ein souveränes Ende bereiten. Hin und her überlegte sie, wie sie es schreiben sollte. Es fiel ihr nichts ein, was der Situation hätte gerecht werden können. Oder lag es daran, dass sie sich insgeheim doch noch ein kleines Hintertürchen offenhalten wollte?
Aus persönlichen Gründen nicht mehr als seine Gespielin auf Abruf zur Verfügung stehen zu können – wie platt das klang! Dass ihre aktuellen Lebensumstände dies nicht mehr zulassen würden … ?!
Es hörte sich alles so lächerlich an. Die sonst so wortgewandte Lady du Mont verzweifelte in dieser Nacht an ein paar einfachen Sätzen des Abschieds. Doch irgendwann – traurig, aber trotzdem überzeugt, das Richtige formuliert zu haben, schickte sie die Mail, nach gefühlten 100 Textvarianten, ab; glaubte ernsthaft, mit einer elektronischen Nachricht ihre Gefühle und Sehnsüchte beseitigt zu haben; wusste nicht, ob sie auf eine Antwort hoffen sollte oder nicht.
Doch bereits am nächsten Nachmittag erhielt sie eine Reaktion auf ihre Abschiedsmail – eine, die sie völlig aus der Bahn warf.
Kapitel 9
‚
Liebe Vic, ich respektiere Deine Entscheidung. Doch möchte ich Dir noch einmal die Möglichkeit geben, in einer ganz besonderen Shibari-Session das außergewöhnliche Gefühl von Hingabe und ihrer Annahme zu erleben. Halten und Gehaltensein, in abgegebener und übernommener Verantwortung. Diese scheinbare Einschränkung Deiner Bewegungsfreiheit durch die perfekt inszenierte Fesselung Deines wunderbaren Körpers kann zu einer tiefen Befreiung führen und etwas schaffen, was Du vorher nicht für möglich gehalten hast. Du bist schon einen intensiven Weg mit mir gegangen, das Ziel ist nun nicht mehr weit … ich weiß, dass Du immer Deinen Weg bis zum Ende gehst und nicht vorher umkehrst … ich spüre, dass Du nun soweit bist! Deshalb erwarte ich Dich am kommenden Freitag um 20.00 Uhr in meinen Räumlichkeiten! Enttäusche mich nicht.“
…
Immer wieder las Victoria diese E-Mail, die einfach keinen Widerspruch zuließ. Sie wusste, dass Shibari der Begriff für ein japanisches Seilbondage war. Aber die, die dies praktizierten, zelebrierten nicht nur die Technik in Perfektion, sondern verbanden viel mehr damit. Es war eine ganz besondere Passion, die auch in Deutschland immer mehr Liebhaber fand. Dass der Graf offensichtlich eine geschulte Hand besaß, war klar – aber offensichtlich ging seine Leidenschaft noch viel tiefer.
Die Suspension, mit der er Maria gefesselt hatte, war schon beeindruckend - das, was er mit ihr bislang praktiziert hatte, somit nur eine harmlose Variante: sein Vorspiel auf mehr.
Ja, sie musste es noch ein letztes Mal wagen – er versprach ihr irgendwie den Olymp!
Nein, sie konnte nicht absagen. Ihre Seele, ihr Körper schrien scheinbar nach dieser Hingabe. Der Wunsch war so intensiv, dass sie alle Skrupel, die sie gegenüber Maximilian empfand, für dieses letzte Treffen über Bord warf.
In der E-Mail bat der Graf darum, dass sie ausschließlich einen Nyloncatsuit tragen sollte. Ebenso erfolgte der Hinweis, dass sie unmaskiert erscheinen könne. Diese Information ließ sie erschaudern. Sollte dies etwa bedeuten, dass auch er sein Gesicht zeigen würde?
Die Zeit bis Freitag verlief quälend langsam, obwohl - oder gerade weil - sie sich mit viel Arbeit eindeckte. Gegenüber Maximilian war sie hin- und hergerissen. Entweder registrierte er nicht, dass sie unaufmerksam
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