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Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Titel: Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Takt und ließ das Becken kreisen.
    Kilian staunte nicht schlecht, wie sich Heinlein nach den Caipirinhas immer noch so gut auf den Beinen hielt.
    Er tanzte wie angestochen und grölte im Refrain »Un, dos, tres«, als gelte es, Ricky Martin für alle Zeiten von den Hitlisten zu verbannen.
    Plötzlich öffnete sich eine Gasse auf der Tanzfläche, und Heinlein stolzierte wie ein Gockel auf ihn zu. Er hatte zwar Schlagseite, konnte aber seine Schritte so koordinieren, dass sie ihn zur Bar brachten. Ihm folgte eine Spanierin, die es nicht zulassen wollte, dass er sich davonmachte.
    »Schorsch, bleib da, jetzt geht’s doch erst richtig los«, rief sie und zog ihn zurück.
    Kilian musste lachen, wie sich Heinlein gegen die Avancen zur Wehr setzte. Doch er hatte keine Chance, und der Kreis schloss sich um ihn. Es war Zeit, Heinlein zu retten, entschied Kilian, bevor sie ihn ganz fertig machten. Er mischte sich zwischen die Tänzer, als er plötzlich auch in den Kreis gezogen wurde. Kilian bemühte sich, sich zu befreien, doch die resolute Spanierin ließ ihn nicht los. Sein Jackett flog im weiten Bogen, und Kilian wurde fest in Tanzhaltung genommen.
    Heinlein rettete sich an die Bar. Er griff eines der herrenlosen Gläser, setzte an und leerte es bis auf den letzten Tropfen.
    »Nasdarovje«, rief er und warf das Glas hinter sich.
    Was er da getrunken hatte, wusste er nicht. Doch es reichte aus, um ihm die Beine unter dem Boden wegzuziehen. Er suchte Halt am Tresen, fand die Schwingtüre und verlor das Gleichgewicht. Er landete hinter dem Tresen, zu Füßen des Barmannes, der soeben ein Fass einer Münchner Brauerei anschloss, auf dem ein goldener Löwe prangte.
    »Ola«, rülpste Heinlein ihm zu.
    »Ola«, kam es kopfschüttelnd zurück.
    Der Barmann wollte ihm beim Aufstehen unter die Arme greifen, aber Heinlein ließ sich keinen Zentimeter bewegen. Mit den Füßen suchte er Halt an einem Eimer, der unter der Bar stand. Doch vergebens. Er rutschte ab, der Deckel des Eimers sprang auf, und wie eine Fontäne schoss rosa Farbe aus dem Eimer über Heinlein. Er betrachtete sein Werk, während der Barmann fluchend ins Hinterzimmer rannte, um einen Wischer und Lumpen zu besorgen, bevor noch mehr passierte. Heinlein griff um sich und fand einen Pinsel. Er nahm ihn, tauchte ihn in den Eimer und suchte ein Ziel. Der goldene Brauereilöwe am Fass war es.
    »Batzi go home«, stammelte er und überstrich den Löwen. Von oben schaute Kilian über den Tresen.
    »Hey, Schorsch, was machst du denn da unten?«
    »Das Volk vom Tyrannen befreien«, antwortete Heinlein.
    Er raffte sich mit letzter Kraft hoch, nahm Eimer und Pinsel und torkelte auf den Ausgang zu.
    »Schorsch«, rief Kilian ihm hinterher, »wo willst du hin?« Plötzlich war Heinlein nicht mehr auf der Tanzfläche zu sehen, er lief die Treppe hinauf. Kilian schüttete zwei verwaiste Caipirinhas in ein Bierglas, warf zwei Scheine auf den Tresen und folgte Heinlein die Stufen hoch.
    Erst beim Sandertorbäck konnte Kilian ihn einholen. Heinlein war verdammt schnell.
    »Schorsch, was hast du vor?«
    »Ich brauch deine Hilfe, Jo. Hörst du? Ich brauch deine Hilfe.«
    »Wobei brauchst du meine Hilfe?«, wollte er von Heinlein wissen, der soeben Richtung Ludwigsbrücke einbog.
    Bei den Leuten wurde sie einfach nur Löwenbrücke genannt, der vier erzgegossenen und mächtigen Löwen wegen, von denen jeweils zwei am Anfang und am Ende der Brücke auf einem Sockel standen.
    »Komm mit, ich zeig dir’s. Da vorne …«
    Heinlein zeigte auf die Löwenbrücke, »da vorne sin’se«.
    *
    Er hielt die Tüte über eine kleine Dose und tippte vorsichtig auf den Falz. Ein hennafarbenes Pulver rieselte dünn heraus. Es verband sich nicht gleich mit dem Wasser, sodass er mit einem Holzspan rührte, bis es zu einem dickflüssigen Gemisch gekommen war. Er stellte die Dose beiseite, zog die ehemals weißen, jetzt mit unzähligen Farben verschmierten Baumwollhandschuhe über und tauchte den Pinsel ein. Es war ein schmaler und langer Pinsel, der mit einem Metallring am runden Schaft befestigt war. Mit ihm konnte er die Länge seines Armes verdoppeln. Er führte Pinsel und Henna entlang eines schmalen Grabens, den er kurz zuvor im weichen Putz gezogen hatte. Die Spur, die der Pinsel hinterließ, verlief sich auf dem feuchten Untergrund sofort. Die Verbindung, die Farbe und Boden eingingen, würde jedoch jede Zeit überdauern.
    Über seinen Händen entstand aus dem weißen Nichts binnen kurzem ein Arm,

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