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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Klaus
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machte mir immer Freude. Wie sollte ich nun diese Freude wachrufen, wenn ich nur noch (langweiliges) Gemüse einsetzen durfte? Das war mir damals nicht klar und ich wäre dankbar gewesen für jeden noch so kleinen Hinweis. Doch womöglich fürchtete der Vegetarier, er würde von den anderen Gästen am gedeckten Tisch gelyncht, wenn sie erfahren würden, dass sie seinetwegen kein Fleisch serviert bekamen?
    Obwohl Vegetarier heute wohl kaum noch als Exoten angesehen werden, fiel mir nicht zum ersten Mal auf, dass die Vegetarier, die ich kenne, nur ungern über das Thema reden. Vielleicht sind sie es leid, immer wieder die gleichen Fragen beantworten zu müssen oder sich zu rechtfertigen? Fürchten sie negative Reaktionen von der Sorte, wie ich sie auf Sizilien erlebt habe, als ich bemerkte: »Der moderne Mensch sollte eigentlich vegetarisch leben.«?
    Als das Essen mit dem verstummten Vegetarier-Freund dann schließlich stattfand, hatte ich alles für eine vegetarische asiatische Gemüsepfanne vorbereitet – eine eigene Kreation, die mir wenigstens das Spielerische und Kreative am Kochen bot –, doch in letzter Sekunde überkamen mich Skrupel. Ich traute mich nicht, den übrigen sieben Gästen nur Grünzeug zu servieren. Ich merkte, es braucht Übung, Erfahrung und Selbstbewusstsein, wenn man Menschen zu sich nach Hause lockt und ihnen dann das vorenthält, was sie als Höhepunkt erwarten: einen Braten, ein Filet, auf jeden Fall Fleisch von bester Qualität. Die schnelle Rettung lagerte im Tiefkühlfach: Garnelen-Spieße. Gebraten in scharfer Kokos-Sauce, Zitronenschale und Ingwer – natürlich in einer separaten Pfanne … Es war wohl ein guter Kompromiss, denn sowohl der einsame Vegetarier als auch die »Normalos« machten mir nach dem Essen verschwenderische Komplimente, wie sie jede Gastgeberin und Köchin gerne hört. Glück gehabt.
    Dennoch, das große Rätsel blieb: Warum wollte der vegetarische Gast lieber hungern, als mir einen harmlosen Tipp für ein vegetarisches Gericht zu liefern? Warum wollte er sich nicht zu seinen Beweggründen äußern? Das habe ich an diesem Abend nicht mehr erfahren. Vielleicht kann ich es jetzt herausfinden. Sicher hängt es doch mit einer anderen, ganz entscheidenden Frage zusammen: Warum wird jemand überhaupt zum Vegetarier?

Gute Gründe für Vegetarismus
    Das Außenseiterdasein, das Vegetarier noch in den 1980er Jahren führten, ist längst vorbei, sagt Professor Dr. Eva Barlösius von der Leibnitz Universität Hannover, die zur »Soziologie des Essens« geforscht hat. Sie weiß, dass schon seit den 1980er Jahren in bestimmten sozialen Kreisen weniger Fleisch gegessen wird. Und jetzt, rund 30 Jahre später, ist es zu einer großen Bewegung gekommen, die immer weiter voranschreitet. Der typische Vegetarier lebt in der Stadt, ist gebildet, problembewusst und weiblich, wie eine Studie der Universität Jena ergab 4 . Fast ein Drittel der Vegetarier hat einen Hochschulabschluss, jeder fünfte studiert noch, fast jeder vierte hat das Abitur und 16 Prozent den Realschulabschluss. Unter Hauptschulabsolventen sind nur 2,5 Prozent Vegetarier.
    Wie viele Menschen genau sich vegetarisch ernähren, ist jedoch nicht ganz klar. Der Vegetarierbund geht von acht Prozent aus, die Gesellschaft für Konsumforschung hat sechs Prozent ermittelt und die letzte Nationale Verzehrstudie des Karlsruher Max-Rubner-Instituts (MRI) kam nur auf 1,6 Prozent – darüber haben sich allerdings sogar die Wissenschaftler des MRI gewundert. Zurückzuführen sind diese unterschiedlichen Zahlen auf die jeweilige Fragestellung der Untersuchungen. Mal wurde nach »streng vegetarisch« essenden Menschen gefragt, mal nach »vorwiegend vegetarisch« essenden. Außerdem kann es zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen, je nachdem, in welcher Altersklasse man fragt und ob die Befragten Männer oder Frauen sind. Je mehr junge Menschen und Frauen in einer Studie repräsentiert sind, desto höher der Anteil der Vegetarier. Doch so unterschiedlich die Zahlen auch ausfallen, einig sind sich die Experten darüber, dass Ernährung geschlechterspezifisch ist: Für Männer hat Fleisch Symbolcharakter, sie verbinden es mit »Kraft und Potenz«, zudem essen Männer eher genussorientiert und auf Kalorien und Fettgehalt achten sie seltener als Frauen. Frauen verbinden dagegen fleisch los mit Gesundheit – daher essen sie doppelt so häufig vegetarisch wie Männer. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Frauen sich mit

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