Tierarzt
war für ihn seit jeher ›diese Masticks‹, und so würde es auch bleiben. Und ich wußte auch, daß er hartnäckig darauf bestehen würde, recht zu behalten. Das hatte damit zu tun, daß Mr. Pickersgill eine in seinen Augen akademische Vergangenheit hatte. Er war um die Sechzig und hatte in seiner Jugend einmal an einem zweiwöchigen Instruktionskursus für Landwirte an der Universität von Leeds teilgenommen. Dieser kurze Einblick in das akademische Leben hatte einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn gemacht, und es war, als hätte die Andeutung von etwas Tiefem und Wahrem hinter den Tatsachen seiner täglichen Arbeit eine Flamme in ihm angefacht, die sein ganzes späteres Leben erhellte.
Keine würdevolle akademische Respektsperson hat je mit größerer Sehnsucht auf die zwischen den Turmspitzen von Oxford verbrachten Jahre zurückgeblickt als Mr. Pickersgill auf seinen zweiwöchigen Kursus in Leeds, und kaum je verfehlte er im Gespräch die Anspielung auf einen göttergleichen Professor Malleson – vermutlich der Leiter des Kursus.
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, fuhr er fort. »Ich habe auf der Universität gelernt, daß es bei dieser Masticks immer ein großes, geschwollenes Euter und unsaubere Milch gibt, aber dies hier muß ’ne andere Art sein. Nur hin und wieder ein paar Flocken in der Milch, sonst nichts, aber ich hab’s gründlich satt, das kann ich Ihnen sagen.«
Mrs. Pickersgill hatte eine Tasse Tee vor mir auf den Küchentisch gestellt, und ich trank einen Schluck. »Ja, die Sache ist wirklich sehr beunruhigend. Ich bin sicher, es gibt eine ganz eindeutige Erklärung dafür – wenn ich nur wüßte, was.«
Aber in Wirklichkeit glaubte ich ziemlich genau zu wissen, was dahinter steckte. Ich war zufällig an einem Spätnachmittag einmal in den Kuhstall gekommen, als Mr. Pickersgill und seine Tochter Olive beim Melken ihrer zehn Kühe waren. Ich hatte den beiden zugesehen, und es sprang sofort in die Augen, daß Olive der Kuh die Milch durch fast unmerklich pressendes Streichen der Euterzitzen mit den Fingern entzog, während ihr Vater derart ungestüm an den Zitzen zerrte, als gelte es, das neue Jahr einzuläuten.
Diese kurze Beobachtung, verbunden mit der Tatsache, daß es immer nur bei den von Mr. Pickersgill gemolkenen Kühen jene Entzündung gab, genügte, mich davon zu überzeugen, daß die chronische Mastitis traumatischen Ursprungs war.
Aber wie sollte ich dem Bauern beibringen, daß es an ihm lag, daß er sein Handwerk nicht verstand und das Problem sich nur lösen ließ, wenn er entweder eine sanftere Methode anwendete oder Olive das Melken allein überließ?
Es würde nicht leicht sein, denn Mr. Pickersgill war eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Ich bin sicher, daß er nicht einen roten Heller übrig hatte, aber selbst in dem zerschlissenen, kragenlosen Hemd mit den Hosenträgern darüber sah er noch wie ein Industriemagnat aus. Der wuchtige Schädel mit den fleischigen Wangen, der edlen Stirn und dem offenen Blick hätte einem ohne weiteres aus dem Wirtschaftsteil der Times entgegenblicken können. In gestreiften Hosen und mit einer Melone auf dem Kopf hätte man den perfekten Aufsichtsratsvorsitzenden vor sich gehabt.
Diese angeborene Würde durfte ich nicht gedankenlos verletzen, denn Mr. Pickersgill war im Grunde ein ausgezeichneter Viehzüchter. Der nicht sehr große Bestand an Kühen war – was übrigens für sämtliche Tiere jenes rasch aussterbenden Schlags von Kleinbauern zutraf – wohlgenährt, gepflegt und sauber. Man mußte eben für das Vieh sorgen, wenn es die einzige Einkommensquelle darstellte, und dank der Milch, die seine Kühe gaben, und dem regelmäßigen Verkauf von ein paar Schweinen, dazu die Hühnereier von rund fünfzig Hennen, gelang es Mr. Pickersgill schlecht und recht, die Familie durchzubringen.
Mir war nie ganz klar, wie sie es fertigbrachten, aber sie schafften es und waren glücklich. Alle Kinder außer Olive hatten geheiratet und waren fortgezogen, aber noch immer bemerkte man eine gewisse Schicklichkeit und Harmonie bei ihnen. Die augenblickliche Szene war typisch: während der Bauer in gesetztem Ton über seine Probleme sprach, machte sich Mrs. Pickersgill im Hintergrund zu schaffen und hörte ihm mit ruhigem Stolz zu. Auch Olive war glücklich und zufrieden. Sie war zwar schon Ende Dreißig, aber sie hatte keine Angst sitzenzubleiben, denn seit fünfzehn Jahren machte ihr Charlie Hudson vom Fischladen in Darrowby beharrlich
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