Tierarzt
den Hof, und wenn Charlie auch kein stürmischer Freier war, hatte er doch nichts von einem Windhund an sich, und man rechnete zuversichtlich damit, daß er Olive im Laufe der nächsten zehn Jahre einen Heiratsantrag machen würde.
Mr. Pickersgill bot mir ein weiteres Brötchen mit Butter an, und als ich dankend ablehnte, räusperte er sich ein paarmal, als ob er nach Worten suchte. »Mr. Herriot«, sagte er schließlich, »ich will niemandem ins Handwerk pfuschen, aber wir haben jetzt sämtliche Mittel, die Sie gegen diese Masticks verordnet haben, ausprobiert, und keines davon hat geholfen. Während meiner Studien bei Professor Malleson hab ich mir verschiedene Rezepte von guten Heilmitteln aufgeschrieben, und ich möchte es gern mal mit diesem hier versuchen. Was halten Sie davon?«
Er griff in die hintere Hosentasche und zog einen vergilbten, ziemlich zerfledderten Zettel heraus. »Eine Eutersalbe. Vielleicht hilft es was, wenn wir die Euter damit einreiben.«
Ich las das Rezept, das wie gestochen geschrieben war. Kampfertinktur, Eukalyptusöl, Zinkoxyd und so weiter – lauter alte, vertraute Namen. Fast mit zärtlichen Gefühlen blickte ich auf die lange Reihe altbewährter Arzneimittel, aber sie wurden von zunehmender Skepsis gedämpft. Ich wollte gerade sagen, ich glaube nicht, daß eine Eutersalbe auch nur die geringste Besserung verspräche, als der Bauer plötzlich laut aufstöhnte.
Er litt an Hexenschuß, und der Griff in die Gesäßtasche hatte einen stechenden Schmerz im Kreuz ausgelöst. Man sah ihm an, welche Qualen er aushielt. Kerzengerade saß er auf seinem Stuhl.
»Mein verdammter Rücken! Er macht mir sehr zu schaffen, aber der Doktor weiß auch nicht weiter. Ich hab schon mehr Pillen als sonst was geschluckt, aber das nützt alles nichts.«
Meine geistigen Fähigkeiten sind nicht überragend, aber hin und wieder habe ich einen Geistesblitz, und jetzt hatte ich einen.
»Mr. Pickersgill«, sagte ich ernst, »mir ist gerade etwas eingefallen. Solange ich Sie kenne, haben Sie’s im Kreuz. Ich glaube, ich weiß, wie man Ihren Hexenschuß heilen kann.«
Mit weit geöffneten Augen sah mich der Bauer an, ein kindliches Vertrauen lag in seinem Blick. Das war nicht weiter erstaunlich, denn so wie die Leute mehr auf den Abdecker und die Getreidehändler hören als auf ihren Tierarzt, wenn es um ihr Vieh geht, so war es nur natürlich, daß sie, was sie selbst betraf, eher dem Veterinär als ihrem Arzt vertrauten.
»Sie wissen, wie Sie mich kurieren können?« fragte er schwach.
»Ich glaube ja, und dazu bedarf es keiner Medikamente. Sie müssen aufhören zu melken.«
»Aufhören zu melken! Was zum Teufel...?«
»Ja, bestimmt. Dieses gekrümmte Sitzen auf dem kleinen Melkschemel jeden Morgen und jeden Abend, und das tagaus tagein, glauben Sie mir, das ist es. Bei Ihrer Größe müssen Sie sich sehr tief niederbeugen, und das bekommt Ihrem Rücken nicht.«
Mr. Pickersgill blickte gedankenverloren ins Leere. »Sie glauben wirklich...«
»Ich bin ganz sicher. Auf jeden Fall sollten Sie’s versuchen. Das Melken kann Olive machen. Sie sagt seit langem, daß sie es leicht allein schaffen würde.«
»Stimmt, Dad«, mischte sich Olive ein. »Ich melke gern, das weißt du, und es ist Zeit, daß du damit aufhörst – nach so vielen Jahren.«
»Verdammt noch eins, junger Mann, ich glaub, Sie haben recht! Ich geb’s auf, und zwar sofort – und dabei bleibt’s!« Mr. Pickersgill warf den Kopf hoch, blickte gebieterisch um sich und schlug mit der Faust auf den Tisch, als habe er gerade die Fusionierung zweier Ölkonzerne beschlossen.
Ich stand auf. »Sehr gut so. Ich nehme das Rezept hier mit und mache die Eutersalbe zurecht. Sie können sie heute abend abholen. Je eher Sie mit der Anwendung beginnen, desto besser.«
Etwa einen Monat später sah ich Mr. Pickersgill wieder. Majestätisch fuhr er mit dem Fahrrad über den Marktplatz und stieg ab, als er mich sah.
»Hallo, Mr. Herriot«, sagte er ein wenig atemlos, »wie gut, daß ich Sie treffe. Ich wollte Ihnen schon längst sagen, daß wir jetzt nie mehr Flocken in der Milch haben. Seit wir die Salbe benutzen, wurden es immer weniger, und jetzt ist die Milch absolut einwandfrei.«
»Oh, wie schön. Und was macht Ihr Hexenschuß?«
»Ja, was soll ich Ihnen sagen. Ihr Rat war Goldes wert, und ich bin Ihnen sehr dankbar. Ich spüre kaum noch was.« Er machte eine Pause und lächelte nachsichtig. »Für meinen Rücken wußten Sie Rat, aber wir
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