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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Schublade heraus. Ich war ziemlich sicher, daß Siegfried darin ein Ersatzhufmesser versteckt hatte, und beinahe wäre mir ein triumphierender Aufschrei herausgerutscht, als ich es tatsächlich da liegen sah; fast nagelneu, mit einer schön geformten, blitzenden Klinge und einem polierten Holzgriff.
    Ich hatte die Hand schon halb ausgestreckt, als ein Wutschrei an mein Ohr drang.
    »Ahhh! Auf frischer Tat ertappt!« Siegfried, der urplötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war, sah mich mit funkelnden Augen an.
    Ich erschrak derart, daß ich an allen Gliedern zitterte und einen Schritt zurücktrat.
    »Oh, hallo, Siegfried«, sagte ich mit dem vergeblichen Versuch, gelassen zu erscheinen. »Ich wollte gerade zu dem Pferd von Thompson – das mit dem Eiter im Fuß, Sie wissen schon. Ich scheine mein Messer irgendwo verlegt zu haben und war gerade dabei, mir hier eines auszuleihen.«
    »Eines zu stehlen, meinen Sie! Mein Ersatzhufmesser! Ist Ihnen denn gar nichts heilig, James?«
    Ich lächelte einfältig. »Oh, Sie irren sich. Ich hätte das Messer sofort zurückgegeben.«
    »Das soll ich Ihnen abnehmen?« sagte Siegfried und lächelte schmerzlich. »Ich hätte es nie wiedergesehen, das wissen Sie so gut wie ich. Aber was ist denn überhaupt mit Ihrem eigenen Messer? Das haben Sie wohl irgendwo liegenlassen, oder?«
    »Ja, ich weiß genau, daß ich es bei Willie Denholm im Stall aus der Hand gelegt habe, nachdem ich die Kuh verarztet hatte, und da muß ich es vergessen haben.« Ich lachte ein wenig verlegen.
    »Also wirklich, James, Sie lassen aber auch ständig Ihre Sachen irgendwo liegen. Und machen diese Schwächen dadurch wett, daß Sie hingehen und mir meine Instrumente entwenden.« Er schob das Kinn vor. »Haben Sie sich schon einmal überlegt, was mich das alles kostet?«
    »Oh, ich bin sicher, Mr. Denholm wird uns das Messer vorbeibringen, sobald er in die Stadt kommt.«
    Siegfried nickte ernst. »Ja, das wird er möglicherweise tun. Aber genausogut könnte er sich auch überlegen, daß das Messer sich wunderbar dazu eignet, seinen Kautabak zu zerschneiden. Wissen Sie noch, wie Sie Ihren Overall fürs Kalben bei Fred Dobson gelassen haben? Als ich den Overall sechs Monate später wiedersah, hatte Fred ihn an.«
    »Ja, ich weiß. Und mir tut das alles auch schrecklich leid, Siegfried.«
    Mein Partner hielt seinen funkelnden Blick noch ein paar Sekunden auf mich geheftet, dann zuckte er die Achseln. »Na ja, keiner von uns ist vollkommen, James. Entschuldigen Sie, daß ich Sie angeschrien habe. Aber Sie müssen wissen, ich hänge sehr an dem Messer, und diese Angewohnheit, die Sachen überall herumliegen zu lassen, macht mich einfach nervös.« Er nahm eine Zweiliterflasche seines Lieblingsarzneitranks gegen Kolik vom Regal und rieb sie mit dem Taschentuch blank, ehe er sie behutsam wieder zurückstellte. »Ich schlage vor, wir unterhalten uns vorne weiter über das Problem. Das läßt sich in ein paar Minuten klären.«
    Wir gingen durch den langen Korridor zurück, und als ich hinter Siegfried in das große Wohnzimmer trat, stand Tristan von einem Sessel auf und gähnte laut. Sein Gesicht sah ebenso jungenhaft und unschuldig aus wie immer, doch er schien gegen eine große Müdigkeit anzukämpfen. Er hatte am vergangenen Abend an einem Wettkampf im Pfeilwerfen gegen die Mannschaft von Drayton teilgenommen; die jungen Leute hatten hinterher den Sieg mit einem reichhaltigen Abendessen und einem ordentlichen Bitterkonsum gefeiert, und Tristan war erst um drei Uhr früh ins Bett gekommen.
    »Ah, Tristan«, sagte Siegfried. »Gut, daß du da bist, denn das, was ich zu sagen habe, betrifft dich ebenso wie James. Es dreht sich um die Instrumente, die von euch immer wieder bei den Bauern vergessen werden. Du bist darin genauso nachlässig wie er.« (Dazu muß erwähnt werden, daß es vor dem Veterinärgesetz von 1948 Studenten ganz offiziell erlaubt war, Tiere ärztlich zu behandeln. Tristan hatte schon oft hervorragende Arbeit geleistet und war überall sehr beliebt.)
    »Nun, ich meine das ganz im Ernst«, sagte mein Partner, lehnte sich an den Kaminsims und blickte von einem zum andern. »Ihr beide bringt mich an den Rand des Ruins durch das dauernde Liegenlassen teurer Instrumente. Zugegeben, einige werden zurückgebracht, aber von den meisten kriegen wir nie wieder etwas zu sehen. Was nützt es, euch auf Visite zu schicken, wenn ihr ohne Arterienklemmen oder Scheren oder sonstwas nach Hause kommt? Damit ist der

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