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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Verdienst dahin. Begreift ihr das?«
    Wir nickten schweigend.
    »Ist es denn wirklich so schwer, auf die Instrumente zu achten? Ihr wundert euch vielleicht, daß ich nie etwas liegenlasse – doch das ist lediglich eine Frage der Konzentration. Ich präge mir immer ein, daß ich das, was ich niederlege, auch wieder aufnehmen muß. Das ist alles.«
    Als die Gardinenpredigt beendet war, wurde er energisch. »Also weiter geht’s. Da nicht allzuviel los ist, schlage ich vor, James, daß Sie mit mir nach Brookside kommen, zu Mr. Kendall. Wir sollen uns mehrere Tiere ansehen, darunter eine Kuh, bei der ein Tumor entfernt werden muß. Nähere Einzelheiten weiß ich nicht, aber es kann sein, daß wir sie niederlegen müssen. Anschließend können Sie zu Thompson gehen.« Er wandte sich an seinen Bruder. »Und du kannst auch mitkommen, Tristan. Gut möglich, daß mehrere Hände vonnöten sind.«
    So kamen wir also drei Mann hoch auf den Gutshof marschiert. Mr. Kendall begrüßte uns wie üblich mit überschwenglichen Worten:
    »Hallo, hallo, heute kommt ja ein Großaufgebot an Arbeitskräften. Dann werden wir es ja im Nu schaffen.«
    Mr. Kendall stand in dem Ruf, ›ein schlauer Kerl‹ zu sein, doch in Yorkshire hatte das eine andere Bedeutung als anderswo. Hier verstand man darunter eine Art Alleswisser; hinzu kam, daß er sich für einen Spaßvogel und Possenreißer erster Güte hielt, und das machte ihn bei seinen Nachbarn nicht gerade beliebter.
    Ich war immer der Meinung, daß er im Grunde ein gutherziger Mensch sei, doch da er fest davon überzeugt war, alles zu wissen und alles schon einmal gesehen zu haben, war es schwer, ihn zu beeindrucken.
    »Nun, wo wollen wir anfangen, Mr. Farnon?« fragte er. Er war ein robuster kleiner Mann mit einem runden, glatten Gesicht und schelmischen Augen.
    »Eine Kuh hat ein schlimmes Auge, war es nicht so?« fragte Siegfried. »Am besten fangen wir mit ihr an.«
    »Ganz wie Sie wünschen, Sir«, rief der Bauer und griff in die Tasche. »Doch vorher muß ich Ihnen noch etwas geben.« Er zog ein Stethoskop heraus. »Das haben Sie letztesmal hier liegenlassen.«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann brummte Siegfried ein Wort des Dankes und nahm das Instrument hastig an sich.
    Mr. Kendall fuhr fort: »Und das Mal davor haben wir einen regelrechten Tauschhandel gemacht, erinnern Sie sich? Ich hab Ihnen Ihre Zange zurückgegeben, und Sie haben mir dafür Ihr Hörrohr dagelassen.« Er brach in schallendes Gelächter aus.
    »Ja, ja, ganz recht«, sagte Siegfried kurz angebunden, während er sich verlegen nach uns umsah, »aber wir müssen an die Arbeit. Wo ist...?«
    »Wißt ihr, Jungs«, sagte der Bauer kichernd und wandte sich an Tristan und mich, »ich glaube, er ist noch nicht ein einziges Mal hier gewesen, ohne was zu vergessen.«
    »Ach, wirklich?« fragte Tristan interessiert.
    »Ja, wenn ich alles hätte behalten wollen, hätte ich mittlerweile eine ganze Schublade voll. Und bei den Nachbarn ist es, wie ich höre, genau das gleiche.«
    »Was Sie nicht sagen«, murmelte ich.
    Wir hätten die Unterhaltung gern noch weiter fortgesetzt, aber mein Partner ging steifbeinig durch den Kuhstall. »Wo ist die Kuh, Mr. Kendall? Wir können hier nicht den ganzen Tag vertrödeln.«
    Es war nicht schwer, die Patientin zu entdecken; eine stattliche rotgraue Kuh, die sich, das eine Auge fest geschlossen, ängstlich nach uns umsah. Dicke Tränen rollten ihr übers Gesicht, und an den vorsichtig zuckenden Lidern merkte man, daß sie Schmerzen hatte.
    »Sie hat was im Auge«, murmelte Siegfried.
    »Ja, ich weiß!« Mr. Kendall wußte immer alles. »Ein großes Stück Häcksel ist ihr ins Auge gekommen, aber ich komm nicht ran. Sehen Sie selbst.« Er packte mit einer Hand die Nase der Kuh und versuchte mit der anderen, die Augenlider auseinanderzuziehen, aber das dritte Augenlid fiel vor, und der ganze Augapfel drehte sich nach oben, so daß nur noch weiße Sklera zu sehen war.
    »Da!« rief er. »Nichts zu sehen. Man kann einfach nicht erreichen, daß sie das Auge stillhält.«
    »Doch, ich kann es.« Siegfried wandte sich an seinen Bruder. »Tristan, hol die Chloroformmaske aus dem Wagen!«
    In Sekundenschnelle war Tristan wieder da. Siegfried stülpte der Kuh den Leinensack rasch über den Kopf und schnallte ihn hinter den Ohren zu. Aus einer mit Alkohol gefüllten Flasche zog er eine Augenpinzette und hielt sie dicht über das geschlossene Auge.
    »James«, sagte er, »geben Sie etwa

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