Tierarzt
klaräugig und von einer heiteren Ruhe erhellt.
Ich hob das Glas. »Fröhliche Weihnachten.«
Das alte Paar nickte und erwiderte lächelnd: »Das gleiche für Sie, Mr. Herriot. Und nochmals vielen Dank«, fügte Mr. Kirby hinzu.
Ich nahm einen Bissen von dem Kuchen und ließ ihm eine Scheibe Käse folgen. In der ersten Zeit war ich entsetzt gewesen über diese in meinen Augen unmögliche Zusammenstellung, aber langsam hatte ich mich eines Besseren belehren lassen und entdeckt, daß Kuchen und weicher Käse, wenn man sie zusammen verzehrt, eine köstliche Mischung ergeben; und ich hatte auch erkannt, daß es nichts Besseres gibt, als beides mit einem Schluck unverdünnten Whiskys hinunterzuspülen.
»Ich hoffe, das Radio stört Sie nicht, Mr. Herriot?« fragte Mrs. Kirby. »Wir machen es am Weihnachtsmorgen immer an, weil wir so gern die alten Lieder hören, aber wenn Sie möchten, stell ich es ab.«
»Nein, nein, bitte lassen Sie es an, es klingt wunderschön.« Ich blickte auf das alte Rundfunkgerät, an dem das Furnier abblätterte und sich unter der reich verzierten Laubsägearbeit fadenscheiniger Stoff spannte; es mußte ein uraltes Modell sein, und es klang blechern, aber der Gesang des Kirchenchors war nichtsdestoweniger wohlklingend und rührend... Adeste Fidelis durchflutete den kleinen Raum, mischte sich mit dem Knistern der Flammen und den leisen Stimmen der beiden Alten.
Der Chor begann mit einem neuen Lied. Ich trank mein Glas aus und winkte nur schwach ab, als der Bauer erneut nach der Flasche griff. Durch das kleine Fenster sah ich die leuchtenden Beeren einer Stechpalme, die aus der Schneedecke hervorragten.
Es war wirklich ein Jammer, hier fort zu müssen, und mit einem Gefühl aufrichtigen Bedauerns leerte ich das zweite Glas und löffelte die Kuchenkrümel vom Teller.
Mr. Kirby ging mit mir hinaus; am Tor blieb er stehen und streckte die Hand aus. »Vielen Dank. Und alles Gute.«
Einen Augenblick ruhte die rauhe, verarbeitete Hand in der meinen, dann setzte ich mich in den Wagen und ließ den Motor an. Ich sah auf die Uhr: Es war halb zehn, und die ersten frühen Strahlen der Sonne fielen aus einem blaßblauen Himmel herab auf die Erde.
Hinter dem Dorf stieg die Straße steil an und beschrieb dann einen weiten Bogen um das Tal. Dies war die Stelle, wo man plötzlich die ganze große Ebene von York vor sich hatte, die sich bis weit in die Ferne erstreckte. Ich hielt hier immer einen Augenblick an, und jedesmal gab es etwas Neues zu entdecken, doch heute hoben sich die Felder, die Gehöfte und Wälder mit einer nie dagewesenen Deutlichkeit ab. Vielleicht lag es daran, daß heute Feiertag war und keine Fabrikschornsteine rauchten, keine Lastwagen Rauchfahnen hinter sich ließen. In der klaren, kalten Luft wirkte alles zum Greifen nahe, und ich hatte das Gefühl, ich brauchte nur die Hand auszustrecken, dann könnte ich die vertrauten Wahrzeichen berühren.
Ich drehte mich um. Nun hatte ich die weißen Buckel und Mulden der Fells vor mir, dicht an dicht erhoben sie sich in der blauen Ferne: Jede Erdspalte war deutlich zu erkennen, und dort, wo die Sonne hintraf, glitzerten die höchsten Gipfel golden. Ich konnte das Dorf sehen und das Haus, in dem die Kirbys wohnten. Dort hatte ich Weihnachten und Frieden und Herzensgüte gefunden.
Bauern? Sie waren das Salz der Erde.
Kapitel 13
Lange ehe unsere Wege sich kreuzten, erregte Marmaduke Skelton mein Interesse. Das hatte zum einen damit zu tun, daß der Gedanke, ein Mensch könne wahrhaftig Marmaduke heißen, mir einfach nicht in den Kopf wollte, zum anderen mit der Tatsache, daß er ein besonders prominentes Mitglied der ehrenwerten Zunft nichtapprobierter Tierärzte war.
Vor dem Veterinärgesetz von 1948 konnte sich praktisch jeder mit der Behandlung von Krankheiten bei Tieren befassen. Studenten konnten, wie schon erwähnt, während ihres Praktikums ganz offiziell den Tierarztberuf ausüben, und es gab Laien, die es als eine Nebenbeschäftigung ansahen, kranke Tiere zu behandeln, während andere, die sogenannten Quacksalber, es hauptberuflich taten.
Die Geringschätzung, die sich in dieser Bezeichnung ausdrückte, war häufig ungerecht, denn abgesehen von einigen wenigen, die eine echte Gefahr für die Tierwelt darstellten, gab es andere, die gewissenhaft und tüchtig waren und nach Verabschiedung des Gesetzes in die tierärztliche Berufsgemeinschaft aufgenommen wurden.
Ich lebte inzwischen lange genug hier in der Gegend und hatte
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