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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Sanftmut, Geduld und Besorgnis; und ich brauchte nicht einmal zu schauspielern, denn es entsprach einfach meiner Natur. Aber jetzt war ich von der bangen Sorge erfüllt, ob Tristan mein Verhalten den Katzen gegenüber wohl gutheißen würde.
    Mrs. Bond, die an der Haustür wartete, hatte die Situation sofort erfaßt und hielt zwei Paar Handschuhe bereit. Tristan ließ sich seine Überraschung nicht anmerken, sondern dankte ihr vielmehr mit seinem üblichen Charme. Doch als er die Küche betrat, den scharfen Geruch einatmete und das Gewimmel von Katzen sah, merkte man ihm sein Erstaunen doch an.
    »Leider handelt es sich um Boris, Mr. Herriot«, sagte Mrs. Bond. »Er hat einen Knochensplitter zwischen den Zähnen.«
    »Boris!« Mir blieb vor Schreck die Luft weg. »Wie um alles in der Welt sollen wir ihn einfangen?«
    »Schon erledigt!« erwiderte sie zufrieden. »Ich hab ihn mit ein paar Happen von seiner Lieblingsnahrung in diesen Katzenkorb gelockt.«
    Tristan legte die Hand auf den großen, geflochtenen Korb auf dem Tisch. »Er ist hier drin, nicht wahr?« fragte er beiläufig. Er schob den Riegel zurück und öffnete den Deckel. Tristan und Boris sahen einander gespannt an, dann sprang ein geschmeidiger schwarzer Körper lautlos an ihm vorbei und war mit einem Satz oben auf dem Schrank.
    »Mein Gott!« sagte Tristan. »Was war das?«
    »Das war Boris«, erwiderte ich, »und jetzt müssen wir sehen, wie wir ihn wieder einfangen.« Ich kletterte auf einen Stuhl, legte meine Hand vorsichtig auf die obere Schrankkante und rief mit leiser, weicher Stimme Boris’ Namen.
    Tristan schien die Sache zu lange zu dauern: Er sprang plötzlich hoch und packte Boris beim Schwanz, doch er konnte ihn nur einen Augenblick festhalten. Mühelos riß der große, schwere Kater sich los und sauste wie vom Teufel besessen durch die Küche, über Schränke und Kommoden hinweg, an Vorhängen hinauf und hinunter.
    Tristan postierte sich an einem strategischen Punkt, und als Boris an ihm vorüberschoß, schlug er mit dem Handschuh nach ihm.
    »Verfehlt!« rief er bekümmert. »Aber jetzt... da kommt er wieder... halt, du schwarzes Biest! Verdammt noch mal, er läßt sich nicht fangen!«
    Vom Lärm herabfallender Teller, Töpfe und Pfannen und von Tristans Rufen und hastigen Bewegungen aufgeschreckt, rannten nun auch die zahmen kleinen Innenkatzen umher und warfen um, was Boris verfehlte. Der Aufruhr und das Getöse drangen sogar bis zu Mr. Bond durch, denn er hob einen Augenblick den Kopf und blickte leicht überrascht auf, ehe er sich wieder seiner Zeitung zuwandte.
    Tristan, von Jagdfieber gepackt, fand die Sache außerordentlich amüsant. Ich krümmte mich innerlich, als er mir beglückt zurief:
    »Treiben Sie ihn weiter, Jim, bei der nächsten Runde krieg ich ihn!«
    Es gelang uns nicht, Boris einzufangen. Wir mußten darauf vertrauen, daß der Knochensplitter sich früher oder später von selber löste. So war es insgesamt keine sehr erfolgreiche Visite, doch Tristan lächelte zufrieden, als wir in den Wagen stiegen.
    »Das war großartig, Jim. Ich ahnte nicht, daß Sie soviel Spaß mit Ihren Katzen haben.«
    Mrs. Bond dagegen schien weniger angetan.
    »Mr. Herriot«, sagte sie ein wenig vorwurfsvoll, als ich das nächste Mal hinkam, »diesen jungen Mann bringen Sie hoffentlich kein zweites Mal mehr mit.«

Kapitel 15
     
    Ich war wieder in Granville Bennetts Klinik und stand in dem gekachelten Operationssaal mit der großen Lampe, deren grelles Licht den gesenkten Kopf meines Kollegen, die Pflegerinnen, die bereitliegenden Instrumente und das kleine Tier beleuchtete, das auf dem Tisch lag.
    Bis zu diesem Nachmittag hatte ich nicht geahnt, daß mir ein weiterer Besuch in Harlington bevorstand: bis die Türglocke klingelte, nachdem ich gerade meinen letzten Schluck Tee ausgetrunken hatte, und ich durch den Korridor ging, die Tür öffnete und Oberst Bosworth mit einem Katzenkorb in der Hand draußen stehen sah.
    »Darf ich Sie einen Augenblick stören, Mr. Herriot?« fragte er.
    Seine Stimme klang anders als sonst, und ich blickte fragend zu ihm auf. Die meisten Menschen mußten zu Oberst Bosworth aufblicken, denn er war fast ein Meter neunzig groß, ein schlanker, gutaussehender Mann mit den energischen Gesichtszügen eines Soldaten, die zu den Auszeichnungen paßten, die er aus dem Krieg mitgebracht hatte. Ich sah ihn häufig, nicht nur, wenn er in die Praxis kam, sondern draußen in der freien Natur, wenn er auf einem großen

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