Tierarzt
Schweineschemel und Seilen befreit, gelassen dastand und nicht anders aussah als die anderen Kühe im Stall. Seine Lippen bewegten sich ein paarmal, ehe er seine Stimme wiederfand.
»Natürlich, für manche Leute ist das ein Kinderspiel«, brummte er. »Machen einfach eine von ihren phantastischen Injektionen und greifen zu ihren Instrumenten! Auf die Art ist’s verdammt leicht!« Er drehte sich abrupt um und war verschwunden.
Während ich seine schweren Stiefel über den Hof stampfen hörte, überlegte ich mir, wie unangemessen seine Worte waren. Was war weniger phantastisch als ein Schweineschemel, ein Pfund Zucker, eine Whiskyflasche und ein Biertablett?
Kapitel 14
»Katzen sind mein ein und alles.«
Mit diesen Worten begrüßte mich Mrs. Bond, als ich das erste Mal zu ihr kam. Dabei schob sie energisch das Kinn vor und ergriff meine Hand mit festem Druck. Sie war eine Frau mittleren Alters, mit einem scharf geschnittenen, ausdrucksvollen Gesicht und von imponierender Gestalt. Da ich ihr auf keinen Fall zu widersprechen gedachte, nickte ich nur ernst und verständnisvoll und ließ mich von ihr ins Haus führen.
Ich sah sofort, was sie meinte. Die große Wohnküche war über und über von Katzen bevölkert: sie lagen auf Sofas und Stühlen, wälzten sich auf dem Boden, hockten reihenweise auf den Fensterbrettern und kauerten in allen Winkeln und Ecken. Und mitten in diesem Tohuwabohu saß der kleine Mr. Bond, bleich und glatzköpfig, in Hemdsärmeln und las die Zeitung – ein Anblick, der mir mit der Zeit sehr vertraut werden sollte.
Ich hatte natürlich schon von den Bonds gehört. Sie stammten aus London und hatten sich aus irgendeinem unerklärlichen Grund North Yorkshire als Ruhesitz gewählt. Sie lebten still für sich mit ihren Katzen in einem alten Haus, das sie gekauft hatten, an der Peripherie von Darrowby. Anscheinend hatten sie ein bißchen Geld. Man hatte mir erzählt, daß Mrs. Bond es sich zur Gewohnheit gemacht habe, streunende Tiere aufzunehmen, sie zu füttern und ihnen ein Zuhause zu bieten, falls die Tiere darauf Wert legten. Diese Eigenschaft hatte mich von vornherein sehr für sie eingenommen, denn nach meiner Erfahrung wurden Katzen als eine Art Freiwild betrachtet. Die Leute behandelten sie grausam, schossen auf sie, warfen mit Steinen und allem möglichen nach ihnen, gaben ihnen nichts zu essen und hetzten rein aus Spaß ihre Hunde auf sie. Es war wohltuend, jemandem zu begegnen, der sich ihrer annahm.
Mein Patient bei diesem ersten Besuch war ein junger Kater, ein kleines schwarz-weißes Knäuel, der verschreckt in einer Ecke kauerte.
»Er gehört zu den Außenkatzen«, erklärte Mrs. Bond mit dröhnender Stimme.
»Außenkatzen?«
»Ja. Alle, die Sie sonst hier sehen, gehören zu den Innenkatzen. Die anderen sind die wirklich wilden – weigern sich einfach, das Haus zu betreten. Ich füttere sie natürlich, aber sie kommen nur rein, wenn sie krank sind.«
»Ich verstehe.«
»Ich mache mir Sorgen um die Augen von diesem kleinen Kater – es sieht aus, als ob eine Haut darüber wächst, und ich hoffe, Sie können was für ihn tun. Er heißt übrigens Alfred.«
»Alfred? Ach ja, natürlich.« Ich ging behutsam auf das halb ausgewachsene Tier zu. Sofort zeigte es die Krallen und empfing mich mit einem wütenden Fauchen, doch es war in seiner Ecke gefangen und konnte nicht davonlaufen.
Es würde nicht leicht sein, den Kater zu untersuchen. Ich wandte mich an Mrs. Bond. »Kann ich bitte eine Decke haben? Oder auch nur ein altes Bügeltuch, das genügt. Ich muß ihn einwickeln.«
»Einwickeln?« Mrs. Bond machte ein bedenkliches Gesicht, als sie im Nebenzimmer verschwand und kurz darauf mit einem zerfetzten Baumwollaken zurückkehrte.
Ich räumte den Tisch ab, auf dem unzählige Katzenschüsseln, Katzenbücher und Fläschchen mit Katzenmedizin standen, und breitete das Laken aus; dann näherte ich mich wieder meinem Patienten. In einer Situation wie dieser muß man sich Zeit lassen, und nach etwa fünf Minuten war es mir durch sanftes Zureden gelungen, daß ich seinen Kopf mit der Hand streicheln konnte. Dann packte ich ihn rasch am Genick, trug den wie wild protestierenden und strampelnden Alfred zum Tisch hinüber, legte ihn, die Hand noch immer fest am Genick, auf das Laken und begann mit der Prozedur des Einwickelns.
Es handelte sich dabei um ein Verfahren, das man häufig bei ungebärdigen Katzen anwenden muß, und ich verstehe mich, wenn ich das von mir selbst
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