Tierarzt
Geschicklichkeit für solch eine Arbeit besaß und über die nötigen Hilfsmittel verfügte? Ich glaubte, ich kannte jemanden.
Ich untersuchte das schlafende Tier mit aller Sorgfalt; ihm fehlte nichts, abgesehen von dem kläglich herabhängenden Kiefer. Nachdenklich streichelte ich das glatte, glänzende Fell. Die kleine Katze war jung und hatte noch viele Jahre vor sich. Ich mußte versuchen, Maudie zu retten. Unverzüglich begab ich mich ins Wartezimmer, um den Oberst zu fragen, ob er damit einverstanden sei, daß ich sie zu Granville Bennett brachte.
Dichter Schnee fiel, als ich aufbrach, und ich war froh, daß der Weg nach Hartington die ganze Zeit bergab führte; weiter oben in den Dales waren an einem Abend wie diesem viele Straßen bald unpassierbar.
In der Klinik ging ich mit in den Operationssaal und sah zu, wie Bennett bohrte, schraubte und nähte. Es war eine Arbeit, die Zeit brauchte, auch wenn die Finger sich noch so flink und geschickt bewegten. Die Operation dauerte fast eine Stunde; Granville arbeitete mit äußerster Konzentration. Man merkte es an dem langen Schweigen, das nur vom Klirren der Instrumente und von gelegentlichen schroffen Befehlen unterbrochen wurde.
Schließlich war alles fertig. Granville warf die Kappe ab und verließ den Operationssaal mit jener Unbekümmertheit, die schon beim erstenmal meinen Neid erregt hatte. In seinem Sprechzimmer wusch er sich die Hände, fuhr sich mit einem Handtuch über die Stirn und zog eine elegante graue Jacke an, aus deren Tasche er eine Pfeife holte. Es war eine andere als letztesmal; mit der Zeit erfuhr ich, daß Granvilles sämtliche Pfeifen nicht nur schön, sondern auch groß waren; dieser Pfeifenkopf hatte die Größe einer mittleren Kaffeetasse. Granville polierte die Pfeife mit einem gelben Tuch, das er immer bei sich zu tragen schien, und hielt sie liebevoll gegen das Licht.
»Sehen Sie sich bloß die Maserung an, Jim. Einfach prachtvoll, nicht wahr?«
Er zog seinen riesigen Tabaksbeutel heraus, stopfte zufrieden die Pfeife, zündete sie an und blies mir eine Wolke von köstlichem Rauch ins Gesicht, ehe er mich beim Arm nahm. »Kommen Sie, mein Freund, ich führe Sie ein bißchen herum, während die Mädchen im OP aufräumen.«
Wir machten einen Rundgang durch die Klinik, und Granville zeigte mir die Sprech- und Wartezimmer, den Röntgenraum, die Medikamentenkammer und natürlich das Büro mit der eindrucksvollen Kartei, in der die Krankengeschichten sämtlicher Patienten verzeichnet waren; aber am meisten Spaß machte mir die lange Reihe von geheizten Käfigen, in denen alle möglichen Tiere sich von ihrer Operation erholten.
Im Vorübergehen erklärte er kurz: »Eierstockentfernung, Darmschnitt, Ohroperation, Richten des Lids.« Dann blieb er plötzlich stehen, steckte einen Finger durch das Drahtgitter und sprach in schmeichelndem Ton: »Dududu, ja komm, komm, komm. Nein, du brauchst doch keine Angst zu haben, mein kleiner George, das ist doch der liebe Onkel Granville.«
Ein kleiner West-Highland-Terrier mit einem Gipsbein kam nach vorn gehinkt, und mein Kollege kitzelte ihn an der Nase.
»Das ist George Wills-Fentham«, sagte er, »Lady Wills-Fenthams erklärter Liebling. Ein komplizierter Bruch, aber er heilt sehr gut. George ist ein schüchternes Tier, aber man muß ihn einfach liebhaben, wenn man ihn erst einmal ein bißchen besser kennt, nicht wahr, mein Kerlchen?« Noch immer streichelte er den Hund, und ich sah in dem trüben Licht, wie der kurze weiße Schwanz sich ungestüm hin und her bewegte.
Im allerletzten Käfig lag Maudie, eine kleine, zitternde Gestalt. Das Zittern bedeutete, daß sie langsam aus der Narkose aufwachte, und ich öffnete die Tür und streckte die Hand nach ihr aus. Sie konnte den Kopf noch nicht heben, aber sie sah mich an, und als ich ihr sanft den Rücken streichelte, gab sie ein schwaches, heiseres Miau von sich. Mit Befriedigung stellte ich fest, daß ihre Kinnlade ihr wieder gehorchte: Sie konnte sie öffnen und schließen. Der blutige Fleischklumpen war nur mehr eine böse Erinnerung.
»Wundervoll, Granville«, murmelte ich. »Einfach wundervoll.«
Eine Rauchfahne stieg in stillem Triumph aus der edlen Pfeife. »Ja, nicht schlecht, nicht schlecht. Ein oder zwei Wochen flüssige Nahrung, dann ist sie wieder munter.«
Ich richtete mich auf. »Großartig! Ich kann es kaum erwarten, Oberst Bosworth die gute Nachricht zu bringen. Kann ich sie heute abend wieder mitnehmen?«
»Nein, Jim,
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