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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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diesmal leider nicht. Ich muß sie noch ein paar Tage unter Kontrolle behalten. Dann kann der Oberst sie vielleicht selbst abholen.«
    Wir gingen in das hellerleuchtete Sprechzimmer zurück, wo er mich einen Augenblick prüfend ansah.
    »Nachdem Sie schon einmal hier sind«, sagte er, »müssen Sie unbedingt auch Zoe guten Tag sagen. Doch zunächst mache ich Ihnen einen anderen Vorschlag. Wie wär’s, wenn Sie...«
    Hastig trat ich einen Schritt zurück. »Nun... hm... nein, ich glaube nicht«, stotterte ich. »Der Besuch im Club hat mir recht gut gefallen, aber... hm... heute abend lieber nicht.«
    »Langsam, mein Junge, langsam«, sagte Granville beruhigend. »Wer hat denn etwas von Club gesagt? Nein, ich wollte fragen, ob Sie nicht mit zu einem Vortrag kommen möchten?«
    »Zu einem Vortrag?«
    »Ja, Professor Milligan aus Edinburgh hält vor der Tierärztlichen Gesellschaft von Yorkshire einen Vortrag über Stoffwechselkrankheiten. Ich dachte, das könnte Sie vielleicht interessieren.«
    »Sie meinen, er spricht über Milchfieber, Azetonämie und all das?«
    »Ja. Das ist doch genau Ihr Gebiet, nicht wahr?«
    Tief in Gedanken versunken stand ich einen Augenblick da. Ich fragte mich, wieso ein Kleintierspezialist wie Granville ausgerechnet einen Vortrag über Kuhkrankheiten hören wollte. Aber vielleicht tat ich ihm unrecht; vermutlich wollte er sich einfach nur auf dem laufenden halten, was die modernen Erkenntnisse der Tierheilkunde betraf.
    Er schien mein Zögern zu bemerken, denn er machte einen weiteren Vorstoß.
    »Es wäre mir lieb, wenn Sie mitkämen, Jim. Die Ausrede, Sie seien dafür nicht passend genug angezogen, zieht nicht. Mir war heute abend, als Sie hereinkamen, sofort aufgefallen, wie elegant Sie aussehen.«
    Damit hatte er recht. Eingedenk des blamablen Eindrucks, den ich bei meinem letzten Besuch gemacht hatte, war ich diesmal nicht in meiner üblichen Arbeitskleidung erschienen, sondern hatte, unterstützt von Helen, die ebenfalls der Meinung war, daß mein Äußeres dringend ein bißchen aufpoliert werden müßte, meinen besten Anzug angezogen.
    Granville fuhr mit der Hand über mein Revers. »Eine ausgezeichnete Qualität, wenn ich das sagen darf.«
    Ich faßte einen Entschluß. »Also gut, ich komme mit. Ich möchte nur vorher Helen anrufen und ihr sagen, daß es etwas später wird. Dann stehe ich ganz zu Ihrer Verfügung.«

Kapitel 16
     
    Draußen schneite es noch immer; wäßriger Stadtschnee, der in einem feuchten Schleier niederging und sich bald im schmutzigen Matsch der Straßen verlor. Ich klappte den Mantelkragen hoch und ließ mich tief in den ledernen Luxus des Bentley sinken. Als wir an den dunklen Häusern vorbeifuhren, erwartete ich jeden Augenblick, daß Granville in irgendeine Seitenstraße einbiegen und halten würde, aber binnen weniger Minuten sausten wir durch die Vororte in Richtung der North Road. Der Vortrag schien in irgendeinem der Institute draußen auf dem Land stattzufinden, und ich sagte nichts, bis wir nach Scotch Corner kamen und der große Wagen in die alte Römische Straße nach Bowes einbog.
    Ich reckte mich und gähnte. »Wo findet der Vortrag eigentlich statt, Granville?«
    »In Appleby«, erwiderte mein Kollege gelassen.
    Ich fuhr überrascht in die Höhe, dann fing ich an zu lachen.
    »Was ist daran so komisch?« erkundigte sich Granville.
    »In Appleby... ha-ha-ha! Also sagen Sie schon, wohin wir wirklich fahren.«
    »Ich hab’s Ihnen doch gesagt, Jim. Nach Appleby ins ›Pemberton Arms‹. Nun wissen Sie es ganz genau.«
    »Ist das wahr?«
    »Ja, natürlich.«
    »Aber, Granville, das liegt doch auf der anderen Seite des Penninischen Gebirges.«
    »Richtig, lieber Freund. Da hat es schon immer gelegen.«
    Ich strich mir übers Haar. »Aber Moment mal. Das sind fast vierzig Meilen, und das bei diesem Wetter. Nie im Leben kommen wir übers Moor von Bowes – ich habe gerade gestern gehört, daß die Straßen völlig verschneit sind. Außerdem ist es gleich acht – wir kommen doch viel zu spät.«
    Granville klopfte mir mit der Hand beruhigend aufs Knie.
    »Keine Sorge, Jim. Wir kommen hin, und wir haben reichlich Zeit. Vergessen Sie nicht, daß Sie in einem richtigen Auto sitzen. Das bißchen Schnee macht überhaupt nichts.«
    Wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, trat er auf den Gashebel, und der große Wagen schoß die schnurgerade Straße entlang. An der Ecke von Greta Bridge schlitterten wir ein bißchen, dann brausten wir durch Bowes und

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