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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Jagdpferd, von zwei Cairn-Terriern gefolgt, über die stillen Landwege in der Umgebung von Darrowby ritt. Er hatte etwas Furchteinflößendes an sich, war aber ungemein höflich und von großer Sanftmut, vor allem seinen Tieren gegenüber.
    »Sie stören mich nicht«, erwiderte ich. »Bitte, kommen Sie herein.«
    Im Wartezimmer hielt er mir den Korb hin. Er machte ein trauriges Gesicht, und man sah ihm an, daß er bedrückt war.
    »Die kleine Maudie«, sagte er.
    »Maudie... Ihre kleine schwarze Katze?« Ich kannte das Tier, das immer zärtlich um die Beine seines Herrn strich, ihm auf den Schoß sprang und beharrlich mit den Terriern um seine Aufmerksamkeit wetteiferte.
    »Was hat sie? Ist sie krank?«
    »Nein... nein...« Er schluckte und fuhr leise fort: »Sie hat einen Unfall gehabt.«
    »Was für einen Unfall?«
    »Sie ist von einem Auto angefahren worden. Sonst geht sie nie bis auf die Straße, sondern bleibt in der Nähe des Hauses, aber heute nachmittag ist sie aus irgendeinem Grund hinausgelaufen.«
    Ich nahm ihm den Korb ab. »Ist ein Rad richtig über sie hinweggefahren?«
    »Nein, das glaube ich nicht, denn sie ist hinterher allein ins Haus zurückgelaufen.«
    »Das klingt ja ganz ermutigend«, sagte ich. »Dann ist es vielleicht nicht allzu schlimm.«
    Der Oberst schwieg einen Augenblick. »Ich wünschte, Sie hätten recht, aber es ist leider ziemlich grauenvoll. Das Gesicht ist verletzt. Der Wagen hat sie offenbar am Kopf gestreift, und ich... ich weiß nicht, ob sie das überstehen wird.«
    »Oh... das tut mir leid. Aber kommen Sie, wir gehen ins Sprechzimmer, damit ich sie mir ansehen kann.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich lieber hier bleiben. Aber eins darf ich noch sagen.« Er legte die Hand auf den Korb. »Wenn Sie glauben, daß es hoffnungslos ist, dann schläfern Sie sie bitte sofort ein. Ich will nicht, daß sie unnötig leidet.«
    Ich sah ihn einen Augenblick verständnislos an, dann eilte ich ins Sprechzimmer. Als ich den Deckel öffnete, sah ich die kleine schwarze Gestalt mit dem glänzenden Fell im Halbdunkel kauern. Ganz vorsichtig streckte ich ihr die Hand hin, der Kopf hob sich langsam, wandte sich mir zu, und ein langgezogener Schmerzensschrei entrang sich der kleinen Brust.
    Es war ein herzzerreißender Anblick: Der ganze Unterkiefer hing kraftlos herab, der Unterkieferknochen war zerschmettert, und als das Tier einen erneuten klagenden Schrei ausstieß, sah ich zu meinem Entsetzen, daß Knochensplitter in dem blutigen Speichel schimmerten.
    Rasch schloß ich den Korb und stützte mich einen Augenblick laut aufstöhnend darauf.
    Mit zitternden Händen griff ich nach der Nembutalflasche hinter mir auf dem Rolltisch. Dieses eine zumindest konnte ich: der Qual so schnell wie möglich ein Ende machen. Ich zog fünf Kubikzentimeter auf; das war mehr als genug – das Tier würde ruhig einschlafen und nie wieder aufwachen. Ich öffnete den Korb, langte hinunter und schob die Nadel durch die Bauchdecke. Doch als ich den Kolben niederdrückte, hatte ich plötzlich das Gefühl, als ob mich jemand an den Schultern fasse und sage: »Halt, Herriot, nicht so hastig. Willst du dir die Sache nicht doch noch einmal in Ruhe überlegen?«
    Ich injizierte einen Kubikzentimeter – das genügte, um Maudie zu betäuben. In wenigen Minuten würde sie nichts mehr spüren. Ich schloß den Deckel und ging im Zimmer auf und ab. Ich hatte schon eine ganze Anzahl gebrochener Kieferknochen bei Katzen zusammengeflickt – das passierte leicht bei ihnen –, und es hatte mir immer große Befriedigung bereitet, Brüche mit Draht zusammenzubinden und ihre reibungslose Heilung zu beobachten. Aber dies hier war etwas anderes.
    Nach fünf Minuten öffnete ich den Korb und hob die kleine Katze, die fest schlief und schlaff wie eine Stoffpuppe war, auf den Tisch.
    Ich tupfte ihr das Maul ab, untersuchte behutsam den Kopf und versuchte, das grausige Puzzle zusammenzusetzen. Der Bruch der Symphyse war ziemlich sauber und konnte mit Draht zusammengefügt werden, aber wie stand es mit den Unterkieferästen, die auf beiden Seiten glatt durchgebrochen waren – tatsächlich wies die linke Seite sogar zwei Brüche auf. Und einige Zähne waren herausgeschlagen worden, andere gelockert; es gab nichts, woran man sie befestigen konnte. War es möglich, sie durch Metallplatten zusammenzuhalten, die in den Knochen geschraubt wurden? Vielleicht... und gab es jemanden, der die

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