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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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seine gesunde Farbe eingebüßt.
    Aber erst einige Wochen später ergab sich eines Nachmittags die Gelegenheit, ein paar Worte mit Mr. Partridge zu wechseln. Es war Markttag – ein Anlaß, den die Bauern gern wahrnahmen, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Ich hatte gerade einen von ihnen hinausbegleitet und stand noch vor der Tür, da sah ich Percy und seinen Herrn aus dem Haus kommen. Und mir fiel sofort auf, daß das kleine Tier jetzt das linke Hinterbein leicht nach außen schwingen mußte, um an der massiven Schwellung vorbeizukommen.
    Einem plötzlichen Impuls folgend rief ich Mr. Partridge beim Namen und winkte ihm, herüberzukommen.
    »Hören Sie«, sagte ich, »Sie müssen mich diese Geschwulst entfernen lassen. Sie ist inzwischen so riesig, daß sie den Hund bei jedem Schritt stört. Er hinkt ja richtig. Sie dürfen das nicht zulassen.«
    Stumm, mit gehetztem Blick, starrte der Maler mich an. Und während wir uns noch schweigend gegenüberstanden, bog Bill Dalton um die Ecke und kam, das Scheckbuch in der Hand, auf die Praxis zu. Bill war ein großer, grobschlächtiger Kerl, der an Markttagen die meiste Zeit im ›Black Swan‹ saß; er strömte einen starken Bierdunst aus.
    »Na, Rolie, alter Junge, wie geht’s!« brüllte er und versetzte dem kleinen Mann einen kräftigen Schlag auf den Rücken.
    »Vielen Dank, William, es geht mir recht gut. Und wie geht es dir?«
    Aber Bill antwortete nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Percy, der auf dem Gehsteig hin und her spazierte. Er beobachtete ihn eine Weile, dann wandte er sich, ein Kichern unterdrückend, mit gespieltem Ernst an Mr. Partridge.
    »Weißt du, an wen mich dein Köter erinnert, Rolie? An den jungen Mann aus Brawton, dessen Eier verschieden groß waren. Das eine war so klein, daß man es kaum sah, aber mit dem anderen hat er mehrere Preise gewonnen.« Er brach in schallendes Gelächter aus.
    Ein paar Sekunden lang glaubte ich, Mr. Partridge werde ihn ohrfeigen. Mit funkelnden Augen starrte er zu dem hochgewachsenen Mann auf, und seine Lippen bebten vor Zorn, aber dann gewann er seine Fassung wieder und wandte sich mir zu.
    »Kann ich Sie einen Augenblick sprechen, Mr. Herriot?«
    »Gewiß.« Wir entfernten uns ein paar Schritte.
    »Sie haben recht«, sagte er. »Percy muß operiert werden. Wann können Sie es machen?«
    »Morgen«, erwiderte ich. »Geben Sie ihm heute nichts mehr zu fressen und bringen Sie ihn morgen mittag um zwei in die Praxis.«
     
    Ein Gefühl ungeheurer Erleichterung überfiel mich, als ich den kleinen Hund am nächsten Tag ausgestreckt auf dem Operationstisch liegen sah. Rasch entfernte ich, nachdem Tristan ihm eine Narkose gegeben hatte, den riesigen Testikel und drang dabei weit den Samenstrang hinauf vor, um sicher zu sein, daß keine Spur von tumorigem Gewebe zurückblieb. Das einzige, was mich beunruhigte, war die Frage, ob durch die lange Verzögerung nicht das Skrotum selbst schon in Mitleidenschaft gezogen war. Das konnte leicht zu einem Rückfall führen, und in Gedanken verfluchte ich Mr. Partridges Zögern. Ich vernähte die Wunde und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, daß alles gutgehen möge.
    Der kleine Mann war außer sich vor Freude, seinen Liebling wohlauf und von dem schrecklichen Auswuchs befreit zu sehen. Ich wollte sein Glück nicht trüben und erwähnte nichts von meinen Befürchtungen, aber sehr wohl war mir nicht zumute.
    Doch in der Zwischenzeit freute auch ich mich, daß mein kleiner Patient wiederhergestellt war. Munter wie eh und je trippelte er die Straße entlang. Nichts mehr war von der Entstellung zu sehen, die seinem Herrn das Leben so schwer gemacht hatte.
    Ich hatte eine Probe von dem entfernten Organ an die pathologische Abteilung der Tierärztlichen Akademie von Glasgow gesandt, und man hatte mir mitgeteilt, daß es sich um eine Sertolische Zellgeschwulst handele, die für gewöhnlich gutartig sei; nur in ganz seltenen Fällen bildeten sich Tochtergeschwulste. Vielleicht flößte mir diese Auskunft mehr Zuversicht ein, als berechtigt war, denn ich hörte auf, Percy zu beobachten, was ich bisher immer getan hatte.
    So glaubte ich, es handle sich um etwas anderes, als Mr. Partridge wieder mit ihm in die Sprechstunde kam und mir sein Hinterteil zeigte. Besorgt betrachtete ich die bedrohliche Schwellung an der linken Seite des Skrotums. Ich tastete es rasch ab – mochte Percy auch unwillig knurren – und stellte erschreckt fest, daß der Tumor wieder wuchs. Und es war nicht damit zu

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