Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
spaßen, denn er war rot, entzündet, schmerzhaft: eine so bedrohlich aktive Wucherung, wie ich sie noch nie gesehen hatte.
    »Die Geschwulst ist schnell gewachsen«, sagte ich.
    Mr. Partridge nickte. »Ja, wahrhaftig. Man kann beinahe sehen, wie sie von Tag zu Tag größer wird. Was läßt sich dagegen machen?«
    Ich suchte gerade nach den passenden Worten, um ihm auf möglichst schonungsvolle Art mitzuteilen, daß man nichts dagegen machen konnte, da fiel mir ein Zeitschriftenartikel ein, den ich letzte Woche gelesen hatte und in dem von einem neuen Medikament, Stilboestrol, die Rede gewesen war, mit dem gute Erfolge bei der tierischen Hormontherapie erzielt worden sein sollten; in einem kleingedruckten Absatz hieß es, daß dieses Mittel sich bei der Behandlung des männlichen Prostatakrebs als wirksam erwiesen habe. Vielleicht, dachte ich...
    »Es gibt ein neues Mittel, das ich versuchen möchte«, sagte ich kurz entschlossen. »Ich kann natürlich nichts garantieren, aber wir wollen es probieren. Nach ein oder zwei Wochen sehen wir dann, wie es einschlägt.«
    »Oh, gut, gut«, flüsterte Mr. Partridge, sich wie ein Ertrinkender dankbar an einen Strohhalm klammernd.
    Ich ließ mir von der Herstellerfirma das Mittel schicken und gab Percy eine Spritze. Außerdem sagte ich Mr. Partridge, er solle ihm täglich noch eine Tablette verabreichen.
    Etwa eine Woche lang wuchs der Tumor noch weiter, und ich wollte die Behandlung schon abbrechen, beschloß dann aber, damit noch ein paar Tage zu warten. Meine Geduld wurde belohnt: die Geschwulst wurde nicht größer. Zwar hütete ich mich, darin schon einen endgültigen Sieg zu sehen, aber eines hatte ich mit meiner Behandlung immerhin erreicht: Ich hatte den verhängnisvollen Prozeß zum Stillstand gebracht.
    Der Schritt des Malers zeigte neue Spannkraft. Er war auf dem Gipfel des Glücks und ahnte nicht, daß die zweite Phase seines Martyriums vor ihm lag, die womöglich noch bizarrer war als die erste.
    Anfangs merkte niemand, was da vor sich ging. Uns fiel höchstens auf, daß es mit einemmal eine Menge Hunde in der Trengate gab: große und kleine, zottige Straßenpinscher und gepflegte Aristokraten, die alle scheinbar ziellos herumschnüffelten; doch bald zeigte es sich, daß es einen gemeinsamen Anziehungspunkt gab. Es war das Haus von Mr. Partridge.
    Und als ich eines Morgens aus unserem Schlafzimmerfenster blickte, ging mir plötzlich ein Licht auf: Sie waren hinter Percy her. Aus irgendeinem Grund hatte er die Eigenschaften einer läufigen Hündin angenommen. Ich schlug in meinem Pathologiebuch nach. Ja, da stand es: Die Sertolische Zellgeschwulst machte Hunde gelegentlich attraktiv für andere Rüden. Aber warum erst jetzt, wo der Tumor sich zurückbildete, und nicht schon früher, als er noch im Wachsen begriffen war? Oder war es vielleicht das Stilboestrol? Die Herstellerfirma hatte erwähnt, daß man unter Umständen mit einer feminierenden Wirkung rechnen müsse, aber doch sicherlich nicht in einem solchen Ausmaß.
    Doch was auch immer die Ursache sein mochte – Percy wurde belagert, das war jedenfalls nicht zu leugnen. Bereits beim Morgengrauen erschienen die ersten, und bis zehn Uhr war die Schlange derart angewachsen, daß sie fast die Straße blockierte. Abgesehen von den ›Stammgästen‹ gesellten sich gelegentlich noch irgendwelche Streuner hinzu, und gleichgültig, welcher Rasse sie zuzuordnen, wie groß oder klein sie waren, sie wurden bereitwillig in die Schar der Wartenden aufgenommen. Mit dümmlichem Ausdruck, heraushängender Zunge und wedelndem Schwanz standen sie vor dem Haus, ein bunt zusammengewürfelter Haufen, den nichts anderes einte als die lärmende Kameraderie der Wollust.
    Für Mr. Partridge muß es eine nahezu unerträgliche Belastung gewesen sein. Manchmal sah ich die dicken Brillengläser drohend durch das Fenster starren, aber die meiste Zeit bewahrte er seine Fassung und arbeitete still an seiner Staffelei, so als gebe es die Meute vor seiner Tür nicht.
    Nur selten verlor er die Nerven. Einmal erlebte ich einen solchen Wutausbruch mit: schreiend stürzte er aus der Tür und schlug mit einem Spazierstock um sich; vergessen war seine sonst so gesetzte Redeweise, im breitesten Yorkshire-Dialekt brüllte er: »Verschwindet, ihr verfluchtes Gesindel! Weg, weg! – Verdammtes Pack!«
    Natürlich war sein Kraftaufwand praktisch umsonst. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann waren die Hunde wieder auf ihrem Posten.
    Der kleine Mann tat

Weitere Kostenlose Bücher