Tierarzt
sagen, lieber Freund, daß wir Sie zum Lunch erwarten. Zoe freut sich sehr.«
»Ach so... ja, ich verstehe. Oh, das ist sehr freundlich. Wir gehen also nicht... irgendwo anders hin?«
»Irgendwo anders? Nein, ganz gewißlich nicht. Ich muß nur unterwegs rasch bei meiner Zweigpraxis vorbeischauen.«
»Sie haben eine Zweigpraxis? Das wußte ich nicht.«
»Ja, nur einen Katzensprung von meinem Haus entfernt.« Er faßte mich um die Schulter. »Gehen wir?«
Als ich mich in die weichen Polster des Bentley sinken ließ, überlegte ich mir zufrieden, daß ich Zoe Bennett heute endlich als ganz normaler Mensch gegenübertreten würde. Diesmal würde sie mich nicht für einen ständig betrunkenen Einfaltspinsel halten. Wenn ich an die nächsten ein, zwei Stunden dachte, schien mir alles höchst verheißungsvoll: mich erwartete ein köstlicher Lunch, dem meine geistreiche Konversation, gepaart mit meinen guten Manieren, zusätzlichen Glanz verleihen würde, anschließend dann die Rückfahrt nach Darrowby mit dem auf wunderbare Weise geretteten Toby.
Ich lächelte bei dem Gedanken an das fröhliche Gesicht, das Nellie machen würde, wenn ich ihr sagte, daß ihr Liebling jetzt gesund war und alles fressen konnte wie jeder andere Hund. Ich lächelte noch immer, als der Wagen am Eingang des Dorfes hielt, in dem Granville wohnte. Dann fiel mein Blick auf ein niedriges Backsteinhaus mit Butzenscheiben, über dessen Tür ein Holzschild hing: ›Old Oak Tree Inn‹. Ich wandte mich rasch an meinen Begleiter.
»Ich dachte, wir wollten in Ihre Zweigpraxis?«
Granville lächelte wie ein unschuldiges Kind. »Ja, so nenne ich dieses Lokal. Es ist so nah von zu Hause, und ich wickle hier eine Menge Geschäfte ab.« Er klopfte mir aufmunternd aufs Knie. »Nur schnell einen kleinen Aperitif, hm?«
»Moment«, stammelte ich. »Ich darf heute einfach nicht zu spät nach Hause kommen. Es wäre mir lieber, wenn wir...«
Granville winkte ab. »Wir bleiben nicht lange. Es ist genau halb eins, und ich habe Zoe versprochen, daß wir um eins zu Hause sind. Es gibt Roastbeef und Yorkshirepudding, und ich würde es nicht wagen, ihren Pudding zusammenfallen zu lassen.«
Nun gut, in einer halben Stunde konnte mir nicht viel passieren. Ich stieg aus dem Wagen.
Kaum hatten wir das Pub betreten, kam ein großer, kräftiger Mann, der an der Theke gestanden hatte, mit ausgestreckten Armen auf uns zu.
»Albert!« rief Granville hoch erfreut. »Darf ich Ihnen Jim Herriot aus Darrowby vorstellen. Jim, das ist Albert Wainwright, der Wirt des ›Wagon and Horses‹ in Matherley, und in diesem Jahr gleichzeitig Präsident des Verbandes der Schankwirte, nicht wahr, Albert?«
Der Mann nickte grinsend, und einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, ich würde erdrückt von den beiden Riesen neben mir. Es war nicht leicht, Granvilles kräftigen Körperbau zu definieren, aber bei Mr. Wainwright war es nicht schwer: er war eindeutig fett. Unter der offenen Jacke quoll ein dicker Bauch hervor, der sich weit über den Hosenbund wölbte. Die kleinen Augen in dem roten Gesicht zwinkerten mir fröhlich zu, und er sprach mit angenehmer, volltönender Stimme. Er war die leibhaftige Verkörperung des Begriffes ›Schankwirt‹.
Ich nippte an dem Glas Bier, das ich bestellt hatte, aber als innerhalb von zwei Minuten ein weiteres vor mir stand, erkannte ich, daß ich hoffnungslos ins Hintertreffen geraten würde, und wechselte zu Whisky mit Soda über, was meine beiden Gefährten tranken. Die schienen hier jedoch unbegrenzten Kredit zu haben: kaum war das Glas leer, klopften sie leicht auf die Theke und sagten: »Noch mal dasselbe, Jack.« Mit magischer Geschwindigkeit tauchten sofort drei weitere Gläser auf. Ich hatte keine Gelegenheit, eine Runde zu bezahlen. Die Sache ging völlig bargeldlos vonstatten.
Die nette, gutgelaunte Unterhaltung, die Albert und Granville mehr oder weniger allein führten, wurde eigentlich nur durch das fast lautlose Klopfen auf die Theke unterbrochen. Und während ich mich bemühte, mit den beiden wackeren Zechern Schritt zu halten wurde das Klopfen immer häufiger, und schließlich glaubte ich es alle paar Sekunden zu hören.
Granville war ein Mann von Wort. Kurz vor eins blickte er auf die Uhr. »Wir müssen leider gehen, Albert. Zoe erwartet uns zum Essen.«
Und als der Wagen pünktlich auf die Minute vor dem Haus hielt erkannte ich mit dumpfer Verzweiflung, daß es mich abermals erwischt hatte. Ein Hexengebräu brodelte in
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