Tierarzt
Pounder, deren Velourshut im Eifer des Gefechts ein wenig verrutscht war, quetschte sich als letzte noch durch die Tür.
»Nun, soviel ich sehe, fehlt ihm nichts«, sagte ich, als ich mit der Untersuchung fertig war. »Geben Sie ihm aber für alle Fälle morgen früh als erstes dieses Wurmmittel. Damit dürfte die Sache in Ordnung sein.«
Wie die Menge der Zuschauer nach Spielende drängte sich die ganze Sippe durch den Korridor hinaus auf die Straße, womit eine weitere Dimmock-Visite beendet war.
Ich dachte über die Sache nicht weiter nach, denn Würmer waren bei einem jungen Hund nichts Ungewöhnliches, und der aufgeblähte Leib ließ eigentlich keine andere Diagnose zu. Ich erwartete nicht, Toby bald wiederzusehen.
Aber ich irrte mich. Eine Woche später quollen zuerst das Wartezimmer und anschließend das Sprechzimmer abermals über. Toby hatte auf das Mittel hin ein paar Würmer ausgeschieden, erbrach sich aber weiterhin, und der Leib war noch immer aufgebläht.
»Machen Sie es so, wie ich es Ihnen gesagt habe?« fragte ich. »Fünf kleine Mahlzeiten pro Tag?«
Sie bejahten es lebhaft, und ich glaubte ihnen. Die Dimmocks sorgten vorbildlich für ihre Tiere. Es mußte an irgend etwas anderem liegen, aber ich konnte nichts finden. Die Temperatur war normal, ebenso die Atemgeräusche, durch Abklopfen war nichts Krankhaftes festzustellen – es war mir unerklärlich. Niedergeschlagen gab ich den Dimmocks ein gegen Magensäure wirkendes Mittel: ein junger Hund wie dieser sollte so etwas eigentlich nicht nötig haben.
In den folgenden Wochen war ich oft drauf und dran, den Mut zu verlieren. Es gab kurze Zeitspannen, da glaubte ich, das Leiden habe sich gebessert, aber dann füllte sich das Wartezimmer plötzlich abermals mit den Dimmocks und den Pounders, und ich war wieder dort, wo ich angefangen hatte.
Und während der ganzen Zeit wurde Toby zusehends dünner und dünner.
Ich versuchte alles mögliche: Magenberuhigungstabletten, veränderte Ernährungsweise, bewährte Hausmittel. Ich befragte die Dimmocks wiederholt nach der Art des Erbrechens, wie lange nach dem Fressen, in welchen Abständen. Es war ganz verschieden. Manchmal gab er die Nahrung sofort wieder von sich, manchmal erst nach einigen Stunden. Ich kam nicht einen Schritt weiter.
Ungefähr gut acht Wochen gingen so dahin – Toby mußte inzwischen etwa vier Monate alt sein –, als ich mich eines Tages wieder einmal beklommenen Herzens den Dimmocks gegenüber sah. Ihre früher für mich immer so erfreulichen Besuche waren mittlerweile zu einem Alptraum geworden. Bedrückt ging ich vor ihnen her ins Sprechzimmer. Warum sollte der heutige Tag die Dinge zum Besseren wenden? Diesmal war es Vater Dimmock, der sich als letzter ins Sprechzimmer zwängte; dann hob Nellie den kleinen Hund auf den Tisch.
Eine Welle der Verzweiflung durchflutete mich. Toby war trotz seines Leidens gewachsen, doch er war nur eine erbärmliche Karikatur von einem Cockerspaniel, mit langen, seidigen Ohren, die von einem ausgemergelten Schädel herabhingen, und schön gefransten, aber spindeldürren Beinen. Ich hatte immer geglaubt, Nellie sei mager, aber der kleine Hund übertraf sie noch. Und nicht nur das, er zitterte auch leicht, als er mit gekrümmtem Rücken da auf der Tischplatte stand, und war ganz in sich gekehrt, so als habe er jedes Interesse an seiner Umwelt verloren.
Nellie strich mit der Hand über die hervorstehenden Rippen und sah mich dabei mit jenem sanften Lächeln an, das mir heute noch mehr ins Herz schnitt als sonst. Die Kleine schien nicht weiter beunruhigt zu sein, ja sie ahnte wahrscheinlich gar nicht, wie krank ihr Liebling war, aber ich wußte, daß ich es nie fertigbringen würde, ihr zu sagen, wie schlimm es um ihren Hund stand und daß er langsam, aber sicher dahinsiechte.
Ich rieb mir die Augen. »Was hat er heute zu fressen bekommen?«
Nellie antwortete selbst. »Er hat Brot und Milch bekommen.«
»Wie lange ist das her?« fragte ich, und noch ehe mir jemand Auskunft geben konnte, übergab sich der kleine Hund und schleuderte den Mageninhalt in hohem Bogen auf den Tisch.
Ich drehte mich nach Mrs. Dimmock um. »Macht er das immer so?«
»Ja, meistens – läßt sein Fressen sozusagen rausfliegen.«
»Aber warum haben Sie mir das nie gesagt?«
Die arme Frau blickte verwirrt drein. »Ja... ich weiß nicht... ich...«
»Schon gut, Mrs. Dimmock, es macht nichts.« Schließlich hatte bisher nicht ein einziger Dimmock oder Pounder auch nur
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