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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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meinem Inneren, und in meinem Kopf drehte sich alles. Mir war elend zumute, und ich wußte genau, daß mein Zustand sich noch verschlechtern würde.
    Granville, frisch und munter wie immer, sprang aus dem Wagen und führte mich ins Haus.
    »Zoe mein Liebling!« trillerte er und umarmte seine Frau, die aus der Küche kam.
    Sobald sie sich aus seinen Armen befreit hatte, kam sie auf mich zu. Sie trug eine geblümte Schürze, die sie, wenn möglich, noch reizvoller erscheinen ließ.
    »Hallo!« rief sie und sah mich mit jenem Blick an, den ich von ihrem Mann schon kannte und der zu besagen schien, daß nichts im Augenblick willkommener sein könnte, als James Herriot gegenüberzustehen. »Wie nett, Sie wiederzusehen. Das Essen ist sofort fertig.« Ich antwortete mit einem törichten Grinsen, und sie lief eilig hinaus.
    Ich ließ mich in einen Sessel fallen und sah Granville zu, wie er an der Anrichte Getränke eingoß. Er reichte mir ein Glas und setzte sich mir gegenüber. Sofort sprang ihm der dicke Staffordshire Terrier auf den Schoß.
    »Phoebles, mein kleiner Schatz!« rief er freudig. »Ja, Daddy ist wieder zu Hause.« Dann deutete er spielerisch auf den kleinen Yorkie der zu seinen Füßen saß und verzückt lächelnd die Zähne fletschte. »Und du bist auch da, meine kleine Victoria, ja, ja, meine Schnuckelchen!«
    Als wir uns schließlich zu Tisch setzten, war ich von dem genossenen Alkohol völlig benommen. Granville beugte sich über die riesige Rindslende, zog mit kräftigen Strichen das Messer ab und säbelte dann energisch drauflos. Großzügig wie immer häufte er ein Stück Fleisch auf meinen Teller, das bestimmt seine zwei Pfund wog, und wandte sich dann dem Yorkshire-Pudding zu. Statt eines einzigen großen Puddings hatte Zoe eine Anzahl von kleinen, runden gemacht, wie es die Bauersfrauen oft taten: köstliche goldfarbene Becher, knusprig braun um den Rand herum. Granville setzte etwa sechs von ihnen neben das Fleisch, während ich ihm stumpfsinnig zusah. Dann reichte Zoe mir die Sauciere.
    Es kostete mich einige Mühe, den Henkel zu ergreifen, aber es gelang mir. Doch aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, jeden einzelnen Becher mit Soße übergießen zu müssen. Nur einmal verfehlte ich mein Ziel und goß ein paar Tropfen der würzig duftenden Flüssigkeit auf das Tischtuch. Ich blickte schuldbewußt zu Zoe hinüber und gluckste vor mich hin.
    Zoe lächelte mir freundlich zu, und ich hatte den Eindruck, daß ich in ihren Augen zwar ein ziemlich seltsames, aber gutmütiges Individuum war. Abgesehen von dieser schrecklichen Angewohnheit, niemals nüchtern zu sein, war ich im Grunde gar kein so übler Bursche.
     
    Es dauerte jedesmal mehrere Tage, bis ich mich von einem Besuch bei Granville erholt hatte, aber am darauffolgenden Samstag war das Ärgste überstanden. Auf dem Marktplatz begegnete mir in aller Frühe eine größere Schar von Menschen, die ich zunächst, da es sich um Erwachsene und Kinder handelte, für Teilnehmer an einem Schulausflug hielt, aber bei näherem Hinsehen merkte ich, daß es nur die Dimmocks und Pounders waren, die Einkäufe machten.
    Als sie mich sahen, wichen sie von ihrem Kurs ab, und eine Woge menschlicher Anteilnahme umbrandete mich.
    Nellie führte Toby an der Leine, und als ich mich zu dem kleinen Hund hinunterbeugte, war ich überrascht, wie sehr er sich in den wenigen Tagen verändert hatte. Er war zwar immer noch mager, aber die Lethargie, die mich so erschreckt hatte, war verschwunden; er war munter und wollte sofort mit mir spielen. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit.
    Seine kleine Herrin ließ die Hand ein ums andere Mal über das seidige braune Fell gleiten.
    »Du bist sehr stolz auf deinen kleinen Hund, nicht wahr, Nellie?« sagte ich.
    »Ja.« Wieder zog jenes seltsame Lächeln über ihr Gesicht. »Weil er mir gehört.«

Kapitel 23
     
    Da ich bisher noch nie verheiratet gewesen war, hatte ich also keine Vergleichsmöglichkeiten, aber allmählich kam mir zum Bewußtsein, daß ich es sehr gut hatte.
    Natürlich spreche ich von materiellen Dingen. Es hätte mir – wie jedem anderen – genügt, mit einer schönen Frau verheiratet zu sein, die ich liebte und die mich liebte. Mit den anderen Aspekten hatte ich nicht gerechnet.
    Da war zum Beispiel die Sorge um meine Bequemlichkeit. Ich hatte geglaubt, diese Dinge seien aus der Mode gekommen, aber nicht bei Helen. Das wurde mir wieder einmal bewußt, als ich mich an diesem Morgen zum Frühstück

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