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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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gelohnt. Ich hatte mir die uneingeschränkte Sympathie der alten Leutchen gewonnen. Mr. Horner klopfte mir auf die Schulter.
    »Bei Gott, nichts ist schöner, als zu sehen, wie ein junger Mensch sein Essen genießt! Als ich so jung war sie Sie, hab ich genauso kräftig reingehauen, aber das ist lange vorbei.« Leise vor sich hin lachend, frühstückte er weiter.
    Seine Frau brachte mich zur Tür. »Das ist ja wirklich ein richtiges Kompliment für mich.« Schmunzelnd sah sie zum Tisch hinüber. »Sie haben das Glas fast leer gemacht!«
    »Entschuldigen Sie vielmals, Mrs. Horner«, sagte ich und schluckte lächelnd die Tränen hinunter. »Aber ich konnte einfach nicht widerstehen.«
    Entgegen allen Erwartungen überlebte ich den Schreck, aber noch etwa eine Woche lang mußte ich gegen eine unheimliche Übelkeit ankämpfen, doch das hatte vermutlich psychosomatische Ursachen.
    Doch eine Konsequenz habe ich aus der Sache gezogen: ich habe seitdem niemals mehr mit Bewußtsein einen Bissen Fett zu mir genommen. Was früher nur Abscheu gewesen war, verwandelte sich von nun an in fixe Besessenheit.
    Auch auf Mixed Pickles war ich danach nicht mehr sonderlich scharf.

Kapitel 24
     
    »Also, machen Sie’s nun oder machen Sie’s nicht?«
    Drohend hatte sich Walt Barnett in der Tür der Praxis vor mir aufgepflanzt; abschätzend musterte er mich von oben bis unten. Die Zigarette, die ihm im Mundwinkel hing, schien ein Teil von ihm zu sein, ebenso wie der braune Schlapphut und der Anzug aus dunkelblauem Serge, dessen Jacke über dem dicken Bauch spannte. Er wog bestimmt an die zweihundertfünfzig Pfund, und das fleischige Gesicht mit dem brutalen Mund hatte etwas Furchterregendes, wozu noch das anmaßende Gebaren kam.
    »Hm... ja. Natürlich wollen wir es machen«, erwiderte ich. »Ich überlege nur gerade, wann wir es einschieben können.« Ich ging zum Schreibtisch und blätterte im Terminkalender. »Diese Woche sind wir ziemlich besetzt, und ich weiß nicht, was Mr. Farnon für die nächste Woche vereinbart hat. Vielleicht ist es besser, wenn wir Sie anrufen.«
    Mr. Barnett war unangemeldet hereingeplatzt und hatte ohne ein Wort der Begrüßung in schroffem Ton verkündet: »Ich habe einen schönen großen Vollblüter zu beschneiden. Wann können Sie’s machen?«
    Nicht gerade übermäßig erfreut, sowohl was sein arrogantes Auftreten als auch sein Anliegen betraf, sah ich ihn ein paar Sekunden schweigend an. Die Sache war nicht nach meinem Geschmack: Ich kastrierte nicht gern »schöne große Vollblüter« – ich zog eindeutig gewöhnliche junge Zugpferde vor, und wenn ich ehrlich sein soll, so hatte ich Shetlandponies am allerliebsten. Aber was sein mußte, mußte sein.
    »Also gut, rufen Sie mich an, aber machen Sie nicht zu lange.« Er sah mich noch immer mit finsterem Blick an. »Und vergessen Sie nicht, ich will gute Arbeit!«
    »Wir bemühen uns immer, gute Arbeit zu leisten, Mr. Barnett«, erwiderte ich und tat mein Bestes, den in mir aufwallenden Zorn zu unterdrücken.
    »Ja, das sagen alle, und trotzdem hab ich schon ’ne Menge Pfuscherei erlebt«, sagte er. Dann nickte er verdrießlich, drehte sich um und stapfte hinaus, ohne die Tür hinter sich zu schließen.
    Ich stand noch mitten im Zimmer, rot vor Wut und leise vor mich hin brummelnd, als Siegfried hereinkam. Ich merkte es kaum, so aufgebracht war ich.
    »Was ist los, James!« fragte er. »Haben Sie sich den Magen verdorben?«
    »Den Magen verdorben? Nein... nein... Wie kommen Sie darauf?«
    »Weil Sie so merkwürdig dastehen. Ich dachte, Sie hätten vielleicht Schmerzen.«
    »Seh ich wirklich so aus? Das liegt an unserem Freund Walt Barnett. Er will, daß wir eines seiner Pferde beschneiden, und brachte die Bitte auf seine übliche liebenswürdige Art vor – der Kerl geht mir langsam auf die Nerven.«
    Tristan kam herein. »Ja, ich hab ihn gehört. Ein unverschämter Lümmel.«
    »Schweig!« fuhr Siegfried ihn an. »Ich will solche Worte hier nicht hören.« Dann wandte er sich wieder an mich. »Und auch was Sie angeht, James, ich finde, selbst wenn Sie sich über jemanden ärgern, ist das noch lange kein Grund, so zu fluchen.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nun, einige von den Ausdrücken, die Sie da eben vor sich hin murmelten, waren Ihrer wahrhaftig nicht würdig.« Die Art, wie er freimütig die Arme ausbreitete, hatte etwas Unnachahmliches. »Ich bin weiß Gott nicht prüde, aber ich verabscheue nun einmal eine deftige Ausdrucksweise, und

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