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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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ihn: auf diese Weise machte die Arbeit Spaß. Noch eine kleine Dosis, dann war’s soweit. Ich maß weitere zehn Kubikzentimeter ab und ging zu dem großen Tier hinüber.
    Sein Kopf bewegte sich schläfrig hin und her, als ich das Chloroform auf die Maske goß. »Bist schon fast hinüber, alter Bursche. Stimmt’s?« murmelte ich, da zerriß ein Schrei die Stille.
    »Er geht nicht runter, James!« Die dröhnende Stimme kam aus der Richtung des Wagens, und als ich mich erschreckt umwandte, sah ich Siegfrieds Kopf über dem Rand der Motorhaube auftauchen. Dann brüllte er:
    »Warum binden Sie nicht...?«
    In diesem Augenblick wankte das Pferd und sank lautlos auf das weiche Gras. Schnell wie der Wind kam Siegfried, das Messer in der Hand, aus seinem Versteck hervorgeschossen.
    »Setzen Sie sich auf seinen Kopf!« schrie er. »Worauf warten Sie – er ist gleich wieder wach! Schlingen Sie das Seil ums Hinterbein! Bringen Sie mir mein Tablett! Holen Sie heißes Wasser!« Völlig außer Atem näherte er sich dem Pferd, dann drehte er sich um und schrie den Rotkopf an: »Los, ich spreche mit Ihnen. BEEILEN SIE SICH!«
    Der Mann rannte davon und prallte gegen den Zwerg, der mit dem Eimer Wasser angelaufen kam. Dann ein kurzes Tauziehen, ehe es ihnen gelang, das Seil um die Fessel zu schlingen.
    »Ziehen Sie das Bein nach vorn«, rief mein Partner, während er sich über die Operationsstelle beugte; gleich darauf ein lautes Brüllen: »Ziehen Sie den Fuß aus meinem Gesichtsfeld! Kapieren Sie das denn nicht – ich glaube, Sie können nicht mal ’ne Henne vom Nest herunterholen.«
    Ich hockte schweigend vorn beim Kopf, ein Knie auf dem Hals des Fuchses. Es war nicht nötig, ihn niederzuhalten: Er war völlig hinüber und hielt die Augen selig geschlossen, während Siegfried wie üblich mit größter Geschwindigkeit arbeitete. Ein paar Sekunden lang war kein Laut zu hören, außer dem Klirren der Instrumente, die auf das Tablett fielen, dann rief mein Kollege mir zu: »Nehmen Sie die Maske ab, James.«
    Die Operation war beendet.
    Es war alles wundervoll glatt vonstatten gegangen. Bis wir unsere Instrumente gewaschen hatten, war der Fuchs schon wieder auf den Beinen und graste ruhig auf der Wiese.
    »Eine ausgezeichnete Narkose, James«, sagte Siegfried, während er den Emaskulator abtrocknete. »Genau richtig. Und was für ein herrliches Tier.«
    Wir hatten unsere Instrumente im Kofferraum verstaut und waren im Begriff loszufahren, als Walt Barnett auf uns zukam. Er sah Siegfried über die Motorhaube hinweg an.
    »War ja weiter keine Arbeit«, brummt er und zückte das Scheckbuch. »Wieviel wollen Sie?«
    Es lag eine derart arrogante Herausforderung in diesen Worten, daß wohl jeder den Preis etwas abgerundet hätte.
    »Nun, ich frag Sie«, wiederholte er. »Wieviel wollen Sie?«
    »Ach ja«, sagte Siegfried leichthin. »Das macht einen Zehner.«
    Der korpulente Mann hielt das Scheckbuch fest umklammert und starrte meinen Kollegen an. »Wieviel?«
    »Einen Zehner«, sagte Siegfried abermals.
    »Zehn Pfund?« Mr. Barnetts Augen weiteten sich.
    »Ja«, sagte Siegfried mit liebenswürdigem Lächeln. »Genau zehn Pfund.«
    Schweigend sahen sich die beiden Männer über die Motorhaube hinweg an. Der Gesang der Vögel und die aus dem Wald herüberdringenden Geräusche wirkten ungewöhnlich laut. Die Sekunden vergingen. Niemand rührte sich. Mr. Barnetts Augen funkelten vor Zorn, und ich blickte von dem aufgeschwemmten Gesicht, das immer mehr anzuschwellen schien, zu dem klaren, markanten, energischen Profil meines Partners. Um Siegfrieds Lippen spielten noch die Reste eines trägen Lächelns, aber in den grauen Augen glomm ein drohendes Licht.
    Ich glaubte, die Spannung nicht länger ertragen zu können, da ließ Mr. Barnett plötzlich den Kopf sinken und begann zu schreiben. Als er Siegfried den Scheck überreichte, zitterte seine Hand so sehr, daß das Papier richtig flatterte.
    »Hier haben Sie«, sagte er heiser.
    »Vielen Dank.« Siegfried warf einen flüchtigen Blick auf den Scheck und stopfte ihn dann nachlässig in die Jackentasche. »Ist dieses schöne, warme Maiwetter nicht wundervoll, Mr. Barnett? Das tut uns allen gut, glauben Sie mir.«
    Siegfried ließ den Motor an, und wir fuhren los.
    »Der wird uns bestimmt nie wieder kommen lassen«, sagte ich.
    »Das glaube ich auch, James. Sollten wir uns noch einmal auf diese Auffahrt hier wagen, wird er vermutlich seine Jagdflinte herausholen. Aber das macht nichts – ich

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