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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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Nebenleinen ab, jede von ihnen strotzt vor Haken. Und nun stellen Sie sich nicht bloß eine dieser Langleinen mit zahllosen Haken, sondern Dutzende oder gar Hunderte von ihnen vor, die eine nach der anderen von einem einzigen Schiff aus gebracht werden. Die Bojen sind mit GPS und anderen elektro nischen Kommunikationssystemen ausgestattet, sodass die Fischer leicht zu ihnen zurückfinden. Und natürlich bringt nicht nur ein Schiff Langleinen aus, sondern Dutzende, Hunderte, bei den größten kommerziellen Fischereiflotten gar Tausende Schiffe.
    Langleinen sind heute bis zu 120 Kilometer lang – man könnte sie dreimal über den Ärmelkanal legen. Man schätzt, dass Tag für Tag 27 Millionen Haken ins Wasser gehängt werden. Und daran bleibt beileibe nicht bloß die »Zielfischart« hängen, sondern 145 weitere. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass bei der Langleinenfischerei jedes Jahr etwa 4,5 Millionen Meerestiere als Beifang getötet werden, darunter ungefähr 3,3 Millionen Haie, 1 Million Schwertfische, 60 000 Meeresschildkröten, 75 000 Albatrosse und 20 000 Delfine und Wale.
    Doch nicht einmal Langleinen produzieren so kolossale Beifangmengen wie die Schleppnetzfischerei. Der häufigste Typ des modernen Garnelentrawlers fegt dabei einen 25 bis 30 Meter breiten Meeresbodenstreifen leer. Das Schleppnetz wird mit 4,5 bis 6,5 Stundenkilometern mehrere Stunden lang über den Grund geschleift, wobei Garnelen (und alles andere) in die breite Öffnung eines trichterförmigen Netzsacks gelangen. Schleppnetzfischerei, die vor allem Garnelen und anderen Krebstieren gilt, ist in etwa das Gleiche wie der Kahlschlag eines tropischen Regenwaldes. Egal, was sie eigentlich fangen wollen, Schleppnetze grasen alles ab: verschiedenste Fischarten, Haie, Rochen, Krabben, Tintenfische, Weichtiere – meistens über 100 verschiedene Tierarten. So gut wie alle sterben dabei.
    Diese »Meeresernte« im Stil einer Brandrodung ist wirklich finster. Bei einem durchschnittlichen Schleppnetzeinsatz werden 80 bis 90 Prozent der gefangenen Meerestiere als Beifang über Bord geworfen. Bei den unergiebigsten Einsätzen werden sogar 98 Prozent der gefangenen Lebewesen tot zurück ins Meer geschmissen.
    Wir reduzieren die Artenvielfalt und Lebensfähigkeit der Meeresfauna insgesamt (das wahre Ausmaß haben Wissenschaftler erst in jüngster Zeit begriffen): Moderne Fischereimethoden zerstören Ökosysteme, die komplexeren Wirbeltieren (wie Lachs oder Thunfisch) die Lebensgrundlage bieten, und übrig bleiben nur jene paar Arten, die von Plankton und Pflan zen allein leben können – wenn das noch vorhanden ist. Wir stopfen die begehrtesten Fischarten massenhaft in uns hinein, meistens größere Räuber am oberen Ende der Nahrungskette wie eben Lachs und Thunfisch, und eliminieren damit die Fressfeinde der eine Stufe niedriger stehenden Arten, wodurch diese sich kurzfristig vermehren können. Dann fischen wir diese Arten komplett ab, bis nichts mehr übrig ist, und wen den uns der nächstniedrigeren Stufe der Nahrungskette zu. Da sich solche Prozesse von Generation zu Generation vollziehen, lassen sich die Veränderungen nur schwer fassen (wissen Sie, was für Fische Ihre Großeltern gegessen haben?), und da die Fangmenge insgesamt nicht abnimmt, stellt sich das trügerische Gefühl ein, das alles wäre nachhaltig. Kein Einzelner plant diese Zerstörung, die Marktmechanismen führen jedoch unweigerlich zur Instabilität des Systems. Wir leeren die Meere nicht völlig; es ist eher so, als würden wir einen Wald, der Tausenden von Spezies Heimat bietet, kahl schlagen und an dessen Stelle riesige Sojafelder mit nur einer einzigen Sorte Sojabohnen pflanzen.
    Schleppnetz-und Langleinenfischerei sind nicht nur ökologisch höchst bedenklich; sie sind auch grausam. In den Schleppnetzen werden mehr als 100 verschiedene Tierarten zusammengequetscht, an Korallenriffs aufgeschlitzt, auf Felsen geschlagen – stundenlang – und dann aus tiefem Wasser nach oben gehievt, was einen schmerzhaften Druckabfall mit sich bringt (der den Tieren manchmal die Augen aus dem Kopf springen oder die inneren Organe aus dem Maul dringen lässt). Auch an Langleinen sterben die gefangenen Tiere meist einen langsamen Tod. Manche hängen fest und sterben erst, wenn sie vom Haken genommen werden. Manche sterben an den Wunden, die der Haken ihnen im Maul geschlagen hat, oder an ihren Befreiungsversuchen. Manche können sich der Angriffe anderer Beutejäger nicht mehr erwehren.
    Als

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