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Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Titel: Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Kappel
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cross, hervor. Daran hatte die
gute Lea so lange zu kauen, dass genau der Satz aus ihrem Maul zu kommen schien, den die Regie forderte. Ein Zentimeter vom guten Wasa ergab einen kurzen Satz, zwei Zentimeter einen längeren … Seitdem allerdings verweigert die Mopsdame privat den Verzehr von Knäckebrot.
    Die einzelnen Aufgaben des Hundes, die über das Kauen hinausgingen, zerschnitt ich in Scheiben wie eine Salami. Ich trainierte Scheibchen für Scheibchen, und wenn alle Scheibchen klappten, arrangierte ich sie wieder zu einem großen Ganzen. Dann war die Salami wieder komplett und der Hund konnte seine Aufgabe in diesem Bild erfüllen.
    Für das erwähnte Würfeln in Bild Nr. 28 hieß das:
– Erste Salamischeibe: Sprung auf den Stuhl.
– Zweite Salamischeibe: Vorderbeine auf den Tisch legen.
– Dritte Salamischeibe: Den stehenden Würfelbecher mit dem Maul aufnehmen.
– Vierte Salamischeibe: Den Kopf drehen, damit die Würfel aus dem Becher auf den Tisch fallen.
– Fünfte Salamischeibe: Den Becher wieder auf den Tisch stellen.
– Sechste Salamischeibe: Gebannt auf die Würfel schauen.
    Jetzt liegt der Gedanke nahe, dass ich Lea und die anderen beiden zwischendurch immer mit Salamischeiben belohnte – das tat ich nicht. Um einen Mops dazu zu bewegen, mit einem solchen Becher zu agieren, musste ich auf seine Grundausbildung zurückgreifen. Die ist bei jedem Tier die Basis. Bevor ein Hund weiß, was der Mensch mit »Ruhe!« meint, hat es keinen Sinn, ihm dieses Wort entgegenzubrüllen, wenn er bellt. Völlig logisch – und doch sind solche Fehler im menschlich-tierischen Zusammenleben trauriger Alltag. Was passiert, ist klar und sprichwörtlich, besonders bei den Außendienstlern der Post: Der Postbote naht, der Hund bellt. Der Mensch schreit
»Ruhe«, der Hund ist still, der Mensch lobt ihn. Am nächsten Tag das gleiche Spiel, am übernächsten auch, eine Woche später immer noch, nur dass es allmählich lästig wird. Doch der Hund musste das Ganze so verstehen: Ich Hund belle, Herrchen sagt etwas, ich belle nicht mehr, und dann lobt er mich. Schön, gefällt mir. Also belle ich morgen wieder. Grundausbildung heißt für diesen Fall, den Hund dann zu loben und das Wort »Ruhe« einzuführen, wenn er gerade ruhig ist. Das muss regelrecht geübt werden, und zwar am besten zu einer Zeit, wenn der Postmann Feierabend hat und bestimmt nicht »zweimal klingelt«. Damit Lea »würfeln« konnte, musste sie zuvor schon in der Lage sein, auf Kommando Gegenstände aufzuheben, auf die ich zeige. Das konnte sie perfekt – und ob es dann ein Würfelbecher war, spielte keine Rolle mehr.
    Lea hatte ihre Szene bald verinnerlicht. Doch inmitten der Dreharbeiten hatte die Regie ganz großartige neue Ideen. Plötzlich war alles anders und damit natürlich viel schwieriger für das Tier, denn meine Trainingseinheiten mussten ein festes Programm beinhalten. Nun waberte künstlicher Nebel über den Drehort, neu eingebracht von Spezial-Effektlern. Tiere haben feine Nasen und nehmen diesen Geruch als unangenehm wahr. Schon würde Lea anders als geplant reagieren. Jetzt war ich gefragt, dem Tier dieses Nebel-Geruchserlebnis als ein positiv besetztes, spannendes Spiel zu verkaufen. Ich wurde also selbst zum Schauspieler und zeigte mich derart begeistert über diesen Kunstnebel, dass Lea gar nichts anderes übrig blieb, als meinem Beispiel zu folgen und Nebel einfach klasse zu finden. Wie hatte es ohne je Spaß machen können!? Meine Aktion startete, noch bevor der Mops den Nebel als negativ registrieren konnte. Hätte ich den Moment verpasst, in dem das Tier entscheidet, dass es den Nebel als unangenehm ansieht, hätte ich schon verloren, denn die Überlebensstrategie des Hundes hätte sich sofort verinnerlicht und
das Kind beziehungsweise der Mops wäre unwiederbringlich in den Brunnen gefallen.

    Die größte Herausforderung kam bei diesen Dreharbeiten allerdings von einer völlig unerwarteten Seite und brachte mich bis an den Rand der Verzweiflung. Zwei Wochen vor Drehbeginn trainierte ich mit Lea und ihrem Frauchen auf einem gemütlichen, übersichtlichen Waldweg nahe der Bavaria-Filmstudios. Dieser Weg ähnelt nämlich einem Weg aus dem Drehbuch.
    Während ich in aller Ruhe und vollkommen konzentriert mit Lea arbeitete, geschah es: Ich bestätigte gerade eine sehr gute Trainingseinheit mit dem Öffnungsklick der Belohnungsbox, beugte mich zu Lea herunter, als plötzlich aus heiterem Himmel ein lautes, ungeduldiges »Weg daaa!«

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