Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
den ersten Akt des Dramas eröffnete. Mit voller Geschwindigkeit raste ein Rennrad über unseren kleinen Mops. Lea wurde unter den Reifen fast wörtlich zum Rollmops und hatte zwei fette Bremsspuren auf ihrem Pelz. Dies war der kurze zweite Akt. Der ignorante, idiotische Rennradfahrer (anders kann ich ihn nicht nennen, und ich entschuldige mich dafür auch nicht) stürzte in die Böschung. Dies zum dritten Akt.
Der kleine Vierbeiner aber raste geschockt und orientierungslos in den Wald. Und ich hinterher. Das war der Beginn des vierten Aktes. Leas Wege waren unergründlich und führten mich immer tiefer und tiefer ins Dickicht. Ich war so damit beschäftigt, den Hund zu finden, dass ich überhaupt nicht bemerkte, wie ich mir die nackten Füße im Dickicht aufriss. Da es warm genug war, hatte ich an diesem Morgen nichts Besseres zu tun gehabt, als Flip-Flops anzuziehen. Wer schön sein will, muss leiden, sagte mein Kopf zu meinen Füßen – und die verstanden es nicht.
Je tiefer ich in den dichten Wald kam, desto dunkler wurde es.
Plötzlich machte es bumm in und an meinem Kopf – ein dicker Ast holte mich von meinen Flip-Flop-Füßen und legte mich flach auf den Waldboden. Wo war bloß Lea? Ein schlechter Film lief vor meinen Augen ab: der arme Hund tief im Wald, verletzt, orientierungslos, herumirrend, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort eine Straße überquerend, während ein Auto …
Auf allen vieren kroch ich weiter durch den Wald, mein Kopf brummte wie ein Bienenschwarm, aber ich wollte mich klein machen, wollte Auge in Auge mit der kleinen Lea zusammentreffen.
Lange suchte ich auf den Knien kriechend, ich horchte, rief, lauschte – eine Menge Lärm machte ich, bis ich die Strategie änderte: verstecken und Ruhe bewahren! Der arme Hund sollte die Chance haben, sich zu bewegen und aus seinem Versteck zu kommen.
Die Rechnung ging auf – da, ein knackender Zweig, an einem Baumstumpf lag Lea, zusammengekauert und verängstigt. In dem Moment, als ich ein paar Zentimeter auf sie zu robbte, wich sie einen Schritt zurück, und das immer und immer wieder. Nach einer halben Ewigkeit hatte ich die Kleine endlich im Arm und trat den Rückweg an. Aber wo war der Rückweg, und welches war jetzt unsere Richtung? Ich hatte keine Ahnung, wo ich war, bei den Pfadfindern hatte ich nie vorgesprochen. Es war schon spät, die Sonne war untergegangen und vor lauter Bäumen konnte ich weder Mond noch die Sterne am Himmel sehen.
Endlich fand ich einen Waldweg, der uns beide zurück an den Ort des Geschehens brachte, wo das aufgeregte Frauchen Anne besorgt wartete. Zusammen brachten wir Lea in eine Tierklinik, um sie untersuchen und röntgen zu lassen. Wir hatten Glück – keine inneren Verletzungen bei unserer Mops-Darstellerin. Vorläufiges Ende des vierten Aktes.
Der fünfte Akt war es nun, sie wieder auf den Film vorzubereiten. Diese zusätzliche, schier unerfüllbare Herausforderung hätte kein Mensch, und ich schon gar nicht, gebraucht. Lea verknüpfte nämlich den Unfall mit meiner Person, den irren Radfahrer hatte sie gar nicht wahrgenommen. In dem Moment, wo ich sie beim Training auf dem Waldweg für eine gut gemachte Aufgabe belohnen wollte, war es geschehen. Deswegen brachte sie den Schock und den Schmerz mit mir in Verbindung und hatte nun Angst vor mir. Ich musste dringend das Vertrauen der kleinen Mopsdame zurückgewinnen, und das bis zum ersten Drehtag!
Mit sehr viel Fingerspitzengefühl konnte ich ihr die Angst von Tag zu Tag immer ein Stückchen mehr nehmen. Während des Trainings war sie Feuer und Flamme, ganz wie zuvor, und je intensiver sie arbeitete, desto mehr vergaß sie ihr Trauma und fand ihr Vertrauen zu mir wieder. Jeden Morgen jedoch, wenn ich die kleine Mopsdame zum Training abholte, verstecke sie sich hinter ihrem Frauchen. Das schnürte mir jedes Mal das Herz zusammen. Doch je mehr wir beide miteinander arbeiteten, umso schneller fand Lea mich beim morgendlichen Wiedersehen auch wieder akzeptabel. Sie fasste Vertrauen und erinnerte sich vorsichtig daran, dass ich doch derjenige bin, der mit ihr spielt und immer eine Belohnung in der Tasche hat. Doch ein Hund mit Dickschädel vergisst nie, niemals! Durch ihre engagierte Tätigkeit am Set vergaß sie ihre Angst schließlich komplett, und die Filmaufnahmen wurden ein Riesenerfolg. Die Mopsdame avancierte zum Liebling des ganzen Teams.
Das traurige Nachspiel: Gegen Lea wurde Klage erhoben. Das komplette Gericht, Anwälte, Zeugen und der ganze
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