Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Drehbuchszene liegt darin, dass die wochenlange, ja sogar monatelange, knochenharte Vorbereitungsarbeit im Endergebnis wie zufällig, wie selbstverständlich und geradezu nebensächlich erscheinen muss. Und manchmal weiß ich anfangs gar nicht, wo ich mit dem »Training« ansetzen soll.
Was könnte das besser illustrieren als ein ganz beiläufiger Satz aus dem Drehbuch »Der große Bagarozy« mit Til Schweiger in der männlichen Hauptrolle und dem großen Bernd Eichinger als Regisseur. Dieser Satz hat nichts mit der eigentlichen Handlung des Filmes zu tun, die daraus entstehende Sequenz soll lediglich eine Stimmung transportieren. Die meisten Schauspieler und andere Beteiligte würden ihn vielleicht überlesen. Aber stellen Sie sich vor, Sie sind für die Tierszenen verantwortlich und lesen Folgendes: »Die Fliege auf seiner Hand putzt sich und fliegt davon.« Ohne zu untertreiben, kann ich behaupten, dass dieses Tier keine tragende Rolle hat. Keine wichtige Szene. Und doch war die Aufgabe für mich mit diesem Satz gestellt!
Also begann in meinem Kopf die Umsetzung. Nicht auszudenken, wie lange es dauern würde, wenn diese Szene dem Zufall überlassen würde: bis am richtigen Ort zur richtigen Zeit eine Fliege auf der richtigen Hand landen würde und dann nach dem Putzen planmäßig wieder »die Fliege machte«. Sechs Richtige im Lotto wären wohl leichter zu erreichen. Was also tun? Eine Fliege trainieren? Oder das instinktive Verhalten für meine Zwecke nutzen?
Um Zeit und Geld zu sparen, werden bei größeren Produktionen diese »Inserts« oder »Details« von einem zweiten Kamera- und Beleuchtungsteam und dem Regieassistenten übernommen. Wir sprechen hier von der Second Unit. Da der Wiedererkennungseffekt bei einer Hand nicht sehr groß ist,
konnte in diesem Fall zudem mit einem Handdouble gearbeitet werden. Das hat natürlich nichts mit Schonung der wertvollen Schauspielerhand zu tun, denn diese, samt Schauspieler, stand weiterhin für die First Unit zur Verfügung, die parallel an den gewichtigeren Szenen arbeitete.
Jede einzelne Szene wird auch bei der Second Unit mehrmals gedreht, bis alles zufriedenstellend im Kasten ist. Meine Fliege aber wäre nach dem ersten Mal »vom Winde verweht« gewesen. Genau aus diesem Grund trat ich mit einer ganzen Armada von Fliegen an, die ich im Vorfeld selbst gezüchtet hatte. Den Tag des Schlüpfens konnte ich durch die Bedingungen wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur bei der Eierlagerung bestimmen. Da die Lebenserwartung der Gemeinen Stubenfliege Musca domestica sehr übersichtlich ist, spielte der genaue Tag der Fliegengeburt eine wichtige Rolle. Meine Hebammentätigkeit musste ganz genau koordiniert sein.
Die nächste Hürde: Das Tier wird beim Drehen auf die Hand gesetzt, darf sie aber nicht sofort wieder verlassen, die Kamera muss die Chance haben, sie ausreichend lange zu beobachten. Also setzte ich die Körpertemperatur der Fliege herab, um sie in eine Art Ruhezustand zu versetzen. Fliegen sind Überlebenskünstler und verbrauchen bei Untertemperatur so wenig Energie wie möglich. Sobald es der Fliege durch die Scheinwerfer am Set und die siebenunddreißig Grad warme Hand wieder kuschelig warm wird, bildet sich auf den Flügeln Kondenswasser. Die Fliege wird sich drehbuchgerecht putzen, um es von ihren Flügeln zu entfernen. Derartig erleichtert fliegt sie nun davon. Et voilà – ist doch ganz einfach, oder?
Fliegen sind für meine Arbeit nicht allzu typisch. Das ist auch gut so, denn obwohl ich es schaffe, dass sie ihre Drehbuchaufgaben erfüllen – eine Beziehung gestaltet sich eher schwierig. Es sind wie gesagt die Hunde, die in den Drehbüchern am meisten gefragt sind, die besten Tierrollen bekommen und bisher
auch in diesem Buch die Hauptrollen besetzten. Der Hund ist nun mal der beste Freund des Menschen und speziesübergreifende Beziehungen sind hier an der Tagesordnung. Wie schon Loriot sagte: »Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.« Auch der gute Heinz Rühmann wollte nicht ohne Hunde sein. Die beiden großen, alten Herren hatten und haben natürlich uneingeschränkt Recht.
Natürlich sind es nicht alles meine eigenen Tiere, die ich zum Set führe – auch wenn mein »Privat-Zoo« beträchtliche Ausmaße hat. Lea zum Beispiel, Mopsdame und unangefochtene Heldin der nächsten Geschichte, war »geborgt«. Sie wurde von mir in einem Casting wegen ihrer vorzüglichen Eignung zur Schauspielerin entdeckt und dann jeden Morgen zum Training
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