Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
heraussprangen, um sich mit Augen und Nase auf die Suche nach der vorbereiteten Köstlichkeit zu machen.
Nun konnte ich aber weder die Schauspieler noch die Windschutzscheibe des Jeeps mit Zweigen dekorieren. Also ließ ich
in einem Labor extra durchsichtiges künstliches Blattgrün herstellen, das eben nicht grün, sondern kaum zu sehen war. Mit Duftstoffen versehen funktionierte es als Lockmittel genauso gut wie echte Blätter. Gierig ließen sich die Tiere täuschen, wie von einem Magneten angezogen steuerten sie die vermeintliche, verführerische Nahrung an. Ich war mir sicher, dass das klappen würde.
Noch aber stand mir die administrative Seite bevor. Während ich anfing, meine Heuschreckenpopulation von einhundert auf zehntausend anwachsen zu lassen, musste der Transport geklärt werden. Zehntausend liebevoll von mir umsorgte Heuschrecken von München nach Nairobi zu bekommen, das würde wohl fast so aufwendig wie Zucht und Ausbildung werden. Ich informierte mich bei der Embassy of Kenia in Bonn. Diese verwies mich an das Ministerium für Agrarwirtschaft in Nairobi. Hier konnte man die Welt nicht mehr verstehen, dass Verrückte aus Deutschland genau die Tiere in Kenia einführen wollten, die dort eine gefürchtete Heimsuchung für die Menschen sind und demzufolge eine wirtschaftliche Katastrophe herbeiführen könnten. Die über den Köpfen zusammengeschlagenen Hände der verzweifelten Mitarbeiter im Ministerium blieben in der Luft, als wir beteuerten, es tatsächlich ernst zu meinen: Unsere zehntausend Grasshoppers sollten nach Kenia einreisen.
Schließlich entschieden wir aus »humanitären« Gründen zugunsten der Mitarbeiter des Ministeriums, dass in Kenia selbst für uns Wanderheuschrecken gezüchtet werden sollten und ich mit derselben Vorgehensweise und den Erfahrungswerten aus Deutschland durchaus auf die kenianische Wanderheuschrecke und deren Fressinstinkte bauen konnte. Die Mitarbeiter im Agrarministerium machte diese Entscheidung glücklich. Zufrieden legten sie ihre Hände wieder in den Schoß. Und sicher sind uns auch die »deutschen« Heuschrecken nicht gram aufgrund der verpassten Flugreise.
In Nairobi fand sich ein einheimischer Heuschreckenkenner, der sich bereit erklärte, diese Tiere für uns zu züchten. Schwer beladen kam er am Drehtag in Mukatani an und lieferte säckeweise Wanderheuschrecken. Ich war erstaunt über seinen Zuchterfolg. Später stellte sich heraus, dass der clevere Kenianer einen ganzen Schwarm Heuschrecken eingefangen hatte. In jedem Fall können wir mit gutem Gewissen behaupten, dass wir nicht für die wachsende Population von Wanderheuschrecken in Mukatani verantwortlich sind.
Der große Ansturm der Heuschrecken auf den Jeep wurde in der Blue Box gedreht. Das ist der Raum oder das Studio, dessen Wände und Boden blau sind, um den gedrehten Gegenstand, in diesem Fall den Jeep, anschließend digital mit einem anderen Hintergrund versehen zu können. Für den Kinobesucher steht der Jeep inmitten der afrikanischen Landschaft.
Wie schon oft beschrieben gibt es in der Regel zahlreiche Wiederholungen, bis der »richtige« Schuss dabei ist und alle Beteiligten glücklich und zufrieden sind. Bei dieser besonderen Szene stand für alle von Anfang an fest, es wird keine Wiederholung geben! Um alle Unsicherheitsfaktoren auszuschließen, werden Kameraführungen geprobt, Schauspielerdialoge wiederholt, Ausstattung, Kostüm und Maske motiviert. Nur der Unsicherheitsfaktor Heuschrecken blieb leider erhalten, denn wir konnten sie nicht probeweise fliegen lassen. Wie werden sich die Tiere wohl verhalten? Haben sie den doch eher unkonventionellen Sacktransport heil überstanden? Reagieren sie auf meine Methode? Der spannende Moment war nun endlich gekommen und ich entleerte die Säcke in einem leichten Halbkreis, den man im filmischen Fachjargon Banane nennt, im Abstand von vier Metern um das Heck des Jeeps. Nach einer ganz kurzen Orientierungsphase sprangen und flogen die Tiere ohne Umweg voller Gier zum Jeep. Die einheimischen Flieger suchten wie wahnsinnig nach dem künstlichen,
durchsichtigen Blattgrün auf der manipulierten Windschutzscheibe.
Nur eine Straße führt nach Mukatani
Aber nicht nur mit den Heuschrecken hatten wir organisatorisch einiges zu bewältigen. Mukatani heißt das kleine kenianische Dorf, das als Schauplatz des Films diente. Allerdings musste dieses abgelegene Dorf, das Stunden entfernt von Nairobi liegt, erst einmal von all den Pkws und Lkws des
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