Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
»Hausmeister Krause« zum Star avancierte) und Heuschrecken, unendlich viele Heuschrecken, die ich der Einfachheit halber alle mit dem Namen Heuschrecke ansprach.
Das Drehbuch sah für Dackel Bodo vor, dass er zusammen mit der jüdischen Familie Redlich in Schlittenberg, Breslau lebte, bevor diese 1938 vor den Nazis nach Kenia flüchtet. Eine großbürgerliche Wohnung, wie es im Drehbuch hieß, wurde in der Isabellastraße mitten im Münchner Szene-Stadtteil Schwabing gefunden. Diese riesengroße Altbauwohnung war der Schauplatz für das Bild Nummer 2 im Drehbuch – eine Familienfeier mit fünfzehn Personen. Bodo, der eigentlich Wasti heißt, sollte mit mehreren Kindern ausgelassen durch die Wohnung toben und dann von Regina Redlichs Cousine auf dem Arm getragen werden. Nichts leichter als das für einen Vollprofi wie Superdackel Bodo. Regina Redlich, die Tochter im Film, hat Angst vor Afrika und den »Negern«. Sie will nicht weg aus ihrer Heimat und ist doch am Ende diejenige, die zuerst afrikanische Freunde findet und nichts mehr liebt als ihre neue Heimat. Meine wichtigsten Schützlinge, die Heuschrecken, sollten als Plage auftreten und von der deutschen Immigrantenfamilie erfolgreich bekämpft werden. Als mich die Produktion um die Regisseurin Caroline Link beauftragte, diese Tierchen zur Verfügung zu stellen und zu trainieren, stand ich vor einer neuen Herausforderung. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht mehr
über Heuschrecken als Heuschrecken über mich. Klar war nur: Im Fall von Insekten kann einzig und allein deren natürliches Verhalten die Grundlage für die Aufgaben sein, die sie vor der Kamera bewältigen sollen. Nun hieß es für mich: Ab auf den Beobachtungsposten, um das Verhalten der Heuschrecken genauestens zu erkunden. Wie ein Spion lag ich einmal mehr auf der Lauer, um zu erfahren, welche spezifischen Eigenschaften der kleinen Biester für das Drehbuch genutzt werden konnten. Auf der Stelle hatte ich also hundert Übernachtungsgäste, die ich, natürlich heuschreckengerecht, in einem großzügigen Terrarium unterbrachte. Dieses Glashotel stand von nun an im Mittelpunkt meines Wohnzimmers. Ich lag stundenlang, tagelang bäuchlings davor, meine Augen stets auf die Tiere gerichtet. Ich beobachtete jede noch so kleine Aktion, jede Verhaltensweise, jedes Bedürfnis der Art Locusta migratoria . Verabschieden Sie sich derweil schon mal von der Vorstellung unserer niedlichen kleinen, grünen Grashüpfer, die sich auf unseren heimatlichen Wiesen und Feldern herumtreiben. Hier ging es um große, gefräßige Wanderheuschrecken, die bis zu sieben Zentimeter lang werden können.
Die Locusta migratoria ist dafür bekannt, mit ihren großen Flügeln in Schwärmen wie aus dem Nichts über Felder, ob diese zur Ernte reif sind oder nicht, herzufallen und alles in kürzester Zeit zu vernichten. Heuschrecken lassen nichts zurück, kein Kraut ist gegen die Gefräßigkeit der Schwärme gewachsen. Die in Afrika, Asien und in Teilen Südeuropas anzutreffende Spezies kann ganze Landstriche kahl fressen, da sie sich als frei lebende Tierart in Schwärmen von vielen Millionen Tieren zusammenschließt. Mit ihrem kräftigen Kauwerkzeug vertilgt die Wanderheuschrecke, was ihr vor das nimmersatte Maul kommt.
Doch ich musste noch viel mehr über die Heuschrecken herausfinden. Neben der Verhaltensforschung interessierte
mich insbesondere die Vermehrung der Tiere, denn einerseits ist die Fortpflanzung ein Zeichen der richtigen Haltung, ein Barometer dafür, ob sich die Tiere wohlfühlen, andererseits sollten bis zu zehntausend Heuschrecken für diesen Film eingesetzt werden. Da war nun nicht nur der Züchter, sondern auch der Mathematiker in mir gefragt. Die Aufgabe: Die Lebensdauer eines Tieres beträgt zwei bis drei Monate. Bis die Larven schlüpfen, dauert es nach der Eiablage, bei neunundzwanzig Grad Celsius, zwölf bis sechzehn Tage, nach gut einem Monat sind die Tiere ausgewachsen. Wie schaffe ich es also, termingerecht aus einhundert Heuschrecken zehntausend zu machen? Selbstverständlich unter Berücksichtigung der beiden Unbekannten: die Menge der abgelegten Eier und die Menge des benötigten Futters, das sich aus Blättern, Zweigen, Löwenzahn, Obst, Gemüse, Salat, gekeimtem Weizen, Kleie, Trockenhefe, Haferflocken und Sojamehl zusammensetzt. Ich hatte eine Weile zu tüfteln.
Im Originaldrehbuch wird in Bild Nummer 137 beschrieben, was später im Film in wunderbare Bilder umgesetzt wurde. Die Vorzeichen der
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