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Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Titel: Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Kappel
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ausgesetzt. Wir sind der Verfolger oder der Verfolgte, der Täter oder das Opfer, der Jäger oder der Gejagte, der Gute oder der Böse, und natürlich wechseln
wir die Rollen. Dieses unbemerkte Spiel ist der wesentliche Grund für Belastungen, Stress und Streit.
    Um aus diesem Teufelskreis wieder herauszufinden, gibt es eine zwar unspektakuläre, aber durchaus wirkungsvolle Strategie, die ich mir nicht nur beim Umgang mit Kühen angeeignet habe: Statt auf Druck mit Gegendruck zu reagieren, gebe ich nach. Das ist nicht das Gleiche wie aufgeben. Ich lasse zu, dass sich die Lage entspannt, und führe damit die Wende zum Lösungsprozess herbei. Führen und Nachgeben, mal ich, mal der andere. So entsteht mit der Zeit eine Art Tanz, der alle Beteiligten zufriedenstellt, am Ende sogar glücklich macht. Wer gerade führt und wer gerade nachgibt, ist dann nicht mehr so wichtig.
    Blinde Kuh
    Kühe, die weder trainiert sind noch auf Intelligenz gezüchtet wurden, sondern ausschließlich der Milchgewinnung dienen, haben selbstverständlich dieselben Verhaltensstrategien wie ihre Verwandten, die für mich beim Film im Einsatz sind. Auch wenn die Tiere von ihren Besitzern, meist Bauern, gehegt und gepflegt werden, da sie wichtiges Kapital bedeuten, werden sie in der Regel nicht leinenführig gemacht, da der beschäftigte Landwirt diesem Detail keine Bedeutung zumisst. Milchkühe sind durch den täglichen Umgang mit dem Menschen beim Melken verhältnismäßig zahm und umgänglich, solange alles in der gewohnten Reihenfolge stattfindet. Auch Ochsen, die früher für die Feldarbeit eingesetzt wurden, waren den Umgang mit Menschen gewohnt. Hingegen haben die Rinder, die heutzutage für die Fleischgewinnung gezüchtet und gemästet werden, den größten Teil ihres Lebens keinen Kontakt zu Menschen und daher eine ursprüngliche Scheu. Entstehen jedoch Situationen im Leben dieser Tiere, die ein Führen notwendig machen, wie ein Umzug von Stall zu Stall,
das sogenannte Umstallen, eine tierärztliche oder allgemeine Behandlung oder der letzte Weg in den Schlachthof, dann kann zwangsläufig nur mit Druck gearbeitet werden, der automatisch Gegendruck provoziert.
    Dennoch kann man mit etwas Verständnis und gutem Willen dafür sorgen, dass dieser Kreislauf unterbrochen wird. Das wurde mir sehr deutlich, als ich meinem Nachbarn zum ersten Mal half, seine Kühe einzeln aus dem Stall zu holen, damit ihnen die Klauen gepflegt werden konnten. Maniküre und Pediküre für Kühe . Da die Tiere nicht gewohnt sind, am Strick geführt zu werden, wurden ihnen die Augen verbunden. Schnelle Bewegungen und ungewohnte Aktionen und Dinge lösen bei Rindern eine Art Alarm aus. Dabei ist die Alarmanlage das Gehirn und der Sensor dafür die Augen. Natürlich ist das Tier mit verbundenen Augen daher ruhig, weil es nicht sieht, was man mit ihm vorhat. Dasselbe Prinzip sind Scheuklappen für das Pferd, die bewirken, dass das Fluchttier nicht alle Umwelteinflüsse wahrnimmt. So kann es durch dichten Verkehr dirigiert werden, ohne hektisch zu werden.
    Kühe unterscheiden sich als Fluchttier übrigens deutlich vom Pferd. Während das Pferd sofort davonprescht, stellt sich die Kuh einer gewissen Gefahr und damit dem Gegner. Das könnten Sie vielleicht schon einmal unfreiwillig erlebt haben, wenn Sie gern Gelb tragen. Sind Sie ab und an in einem gelben Regenmantel, gelben Gummistiefeln oder einer Postmeistermütze auf dem Kopf in der Natur unterwegs? Ich darf Sie damit vertraut machen, dass für Kühe die Farbe Gelb den höchsten Kontrast in der Wahrnehmung darstellt, sie könnten deshalb möglicherweise schnell mal zu einem Angriff übergehen.
    Im Stall des Nachbarn nun verfolgte ich die heutzutage übliche Vorgehensweise der Klauenpflege, die alle sechs Monate erforderlich ist, mit großem Interesse und körperlichem Einsatz. So schnell konnte ich nicht schauen, wie ich von einer der vierbeinigen
Damen der Rasse Bayerisches Fleckvieh plötzlich an die Stallwand gedrückt wurde. Siebenhundert Kilo pressten sich auf mich und ich hörte ein erschöpftes Knacken einer meiner Rippen, die sich dem Thema Gegendruck freiwillig ergab. Die anschließenden Schmerzen machten mich nachdenklich. Was sagte mir diese Methode »Blinde Kuh zur Maniküre«?
    Ich kam schließlich zu dem Schluss, dass dem Tier, wenn es schon mit verbundenen Augen gehen soll, ein kontinuierliches Tonsignal helfen könnte. Damit wäre der Druck vermindert, und die »blinde Kuh« würde so auf den

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