Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Gegendruck verzichten und kooperieren. Prinzip Fußgängerampel für Blinde, diese sendet Tonsignale aus, um dem Blinden Gehen oder Stehen anzuzeigen. Wieder im Stall sandte ich nun ein stetiges »Komm, komm, komm, komm komm, komm, komm…« an die Tiere aus und diese nahmen meine Hilfestellung an. Kein Gezerre und Gedrücke mehr, die Kühe tappten vorsichtig meinen Rufen hinterher.
Der Klauenschneider erklärte mir, dass er in seiner vierzigjährigen Berufszeit bereits mehr als zehn Rippenbrüche hatte und diese ja kein Beinbruch seien. Ich frage mich, aus welchem Grund er dann nicht seine Strategie in all den Jahren geändert hat und immer noch den aus Verunsicherung unkooperativen Tieren mit einem Stromschlag auf die Sprünge hilft. Auf diesen Druck bekommt er natürlich postwendend die Antwort. Der oftmals sehr rohe Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren führt dazu, dass die Angst auf Platz eins der schlechten Erfahrungen steht. Da Kühe einen ruhigen und ausgeglichenen Umgang lieben, sind Schlagen, Knüppeln, Treten und der Einsatz von Elektroschocks der wahre Terror für sie. Solche Mittel sind alte Muster, die wir Menschen ungeprüft von der vorherigen Generation übernommen haben. Man sollte sie schon längst ad acta gelegt haben.
Grenzverletzung an der Distanzzone
Weniger kraftvollen Gegendruck kann ein Hund ausüben, der, wenn er Pech hat und ein Zwerg seiner Zunft ist, uns Menschen körperlich nichts entgegenzusetzen hat. Dadurch wird seine Verweigerung gegen den menschlichen Druck nicht wirklich ins Gewicht fallen. Wir kennen alle das Bild, wenn Herrchen seinen Hund an der Leine hinter sich herzerrt. Der kleine Hund produziert Gegendruck, selten wird dieser vom Menschen reflektiert, da er keine gravierenden Konsequenzen hat. Dennoch ist eine Spannung da. Oft genügt es schon, die Leine durchhängen zu lassen, um den Druck aus der Situation zu nehmen – und siehe da: Der Gegendruck hebt sich auf und der Hund läuft brav mit. Wenn der Hund sein Herrchen an der Leine hinter sich herzerrt, ist die Rollenverteilung genau umgekehrt. Der Hund macht Druck und Herrchen reagiert automatisch mit Gegendruck, indem er versucht, den Hund zurückzuziehen. Wichtig ist, dem Hund erst das ABC beizubringen und ihn dann zum Lesen aufzufordern. Das ABC ist in diesem Fall das Kommando »Fuß«. Ist das sicher abrufbar, kann man entspannt miteinander spazieren gehen, mit durchhängender Leine. Ein anderes klassisches Beispiel: Sie rufen Ihren Hund unter Zeitdruck zu sich und haben dabei, ohne es zu wissen, einen Druck in Ihrer Stimme, den Sie sonst nicht ausüben. Der Hund nimmt diesen ungewohnten Druck sofort wahr und wird ganz sicher nicht zu Ihnen kommen. Erst wenn Sie den Druck herausnehmen, ein paar Meter in die entgegengesetzte Richtung laufen, sich von einer Frontalstellung zum Hund in eine Profilstellung drehen, vielleicht sogar in die Knie gehen und auch Ihrer Stimme Entspannung gönnen, lösen Sie die Situation auf. Sie geben nach und stellen Ihrem Tier Raum zur Verfügung, freiwillig Ihrer Aufforderung nachzukommen. Um diese Dinge zu wissen macht den Alltag deutlich leichter.
Das Gesetz des Drucks gilt auch für Geflügel, das aufgrund seiner verhältnismäßig geringen Intelligenz nicht wirklich anspruchsvoll trainiert werden kann, sondern hauptsächlich über die Prägung delegiert wird. Es reagiert wunderbar auf die Körpersprache. Allein den Arm auszubreiten bedeutet Druck im übertragenen Sinne: Es wird in das Empfinden für die körperliche Distanz eingegriffen. Die gefiederten Zweibeiner weichen zurück, um die Sicherheitsdistanz zu bewahren, und können damit gezielt in den Stall getrieben werden. Sollten Sie schon einmal mit einem Anhänger am Auto rückwärts eingeparkt haben, wissen Sie, dass Sie rechts herum lenken müssen, damit der Anhänger links herum fährt. Genau auf die gleiche Art und Weise reagiert Geflügel. Gehen Sie links, läuft das Geflügel rechts, breiten Sie Ihren rechten Arm aus, reagieren die Tiere mit einem Richtungswechsel nach links. Auf diese einfache Weise lässt sich eine Schar Hühner, Enten oder Gänse problemlos dirigieren.
Um Menschen zu dirigieren, sollte man schon Orchesterchef sein. Doch ein diplomatisches Miteinander im Alltag führt jeden von uns in der Regel häufiger und vor allem leichter zum Ziel, als wenn wir mit dem Kopf durch die Wand zu rennen versuchen. Diplomatische Verhandlungen zwischen Nationen sind allemal erfolgreicher als die wildesten Kriege,
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