Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
gegenüber den großen Vorteil, uns zumindest immer wieder vornehmen zu können, dass wir bewusst entscheiden, welches Verhalten wir wählen. Auch wenn es dann oft nicht klappt und wir in die Bahnen alter Muster schlittern – wir rauchen weiter, wir bewegen uns zu wenig, wir fahren wegen Kleinigkeiten aus der Haut –, können wir es immer wieder probieren, und irgendwann klappt es. Es gibt Möglichkeiten, es immer rascher, immer sicherer, immer besser »klappen« zu lassen. Sich für ein gelungenes und obendrein möglichst entspanntes Leben nämlich Eigenheiten der Tiere zum Vorbild zu nehmen, das ist mein Erfolgsrezept. Ein paar der wesentlichen Zutaten erfahren Sie auf den folgenden Seiten, die ganz im Zeichen tierischer Instinkte stehen. Die Erfolgsmischung für Ihr eigenes Leben können Sie sich daraus selbst zusammenstellen und immer wieder neu erproben.
Druck erzeugt Gegendruck
Diese grundlegende Erkenntnis verdanke ich vor allem der Arbeit mit Schwergewichten. Plakativer als beim Umgang mit Kühen kann man diese logische Regel nicht demonstriert bekommen. Meine körperlichen Grenzen werden mir beim physischen Wettkampf mit einem gehörnten Vierbeiner so deutlich, dass sich jeder sportliche Ehrgeiz von selbst verbietet. Das gibt mir die Chance, zu begreifen, dass ich völlig anders vorgehen sollte: Nehme ich den Druck aus der Situation, umgehe ich die körperlichen Qualitäten der Kuh, gegen die ich den Kürzeren ziehen würde. Schon ist Raum für eine Lösung. Ich reduziere mich auf die Disziplin, in der ich in dieser Situation überlegen bin: die der strategischen Denkweise.
Fanta ist nicht nur zum Trinken da
Fanta ist eine Reitkuh. Nahezu perfekt ist sie, meine kleine Hinterwälderin, sie ist zugeritten und versteht tatsächlich, was man ihr über die Zügel vermittelt. Nun sollte sie für die Filmproduktion »Die Dorfhelferin« genau das spielen, was sie ist: eine Kuh, auf der man reiten kann. Zusammen mit Simone Thomalla und Marco Girnth fanden die Dreharbeiten zwischen Miesbach und dem Schliersee statt, ein oberbayerisches Kitschpostkartenidyll. So stand also Fanta in dieser Idylle, mitten im Filmset, auf dem für sie vorbereiteten Parcours. Hauptdarsteller Marco saß ihr im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken, direkt hinter ihren sehr ansehnlichen Hörnern. Er hielt die Zügel in einer Hand, da er leidenschaftlicher Westernreiter ist, hatte er damit keine Probleme. Auch das Reiten ohne Sattel war für ihn keine Premiere, allerdings hatte er es bisher nicht auf einer Kuh probiert. Aber Fanta mag es, Menschen auf ihrem Rücken in der Gegend herumzutransportieren, sie versteht die Zügelhilfen rechts, links, zurück, Stopp und Geh – also, was kann schiefgehen, dachte ich. Laut Drehbuch sollte Fanta mit Marco auf ihrem Rücken mehr oder weniger elegant durch einen Slalom aus verschiedenen Hindernissen tänzeln, über einen dreißig Zentimeter hohen Ochser springen und zum guten Schluss noch durch ein Zelt aus Zweigen schreiten.
Alles und alle waren bereit, abgesehen von Fanta, die in diesem Moment eine einsame Entscheidung nicht zu unseren Gunsten traf. Einige Weiden weiter stand nämlich ein Bulle, die gute Fanta entschied sich also, diesem Bullen unaufhörliche, laut zu vernehmende Grüße und Rufe zu übermitteln, offenbar stand ihr eher der Sinn danach, sich mit diesem Kerl zu vergnügen, als die gestellte Aufgabe der Regie – von mir vertraglich zugesagt – zu erfüllen. Es war ihr schlichtweg egal, ob sie mich
zum Lügner machte, sie setzte keinen Fuß vor den anderen, sie stand einfach da und brüllte diesem Bullen zu.
Was nun? Ihre fünfhundert Kilo Lebendgewicht in Richtung Parcours zu drücken oder sie gar zu ziehen wäre völlig sinnlos. Wie sonst aber könnte ich in diesen Momenten meiner Blamage Fanta motivieren, sich auf ihre durchaus sehenswerten Fähigkeiten zu besinnen und endlich ihre Aufgabe zu erledigen? Welcher Druck ist größer, der meiner reizenden Fanta oder meiner mit immerhin männlichen fünfundachtzig Kilo? Mit Leichtigkeit zieht mich eine Kuh allein durch einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung oder über den sprichwörtlichen Tisch, während ich nur ein müdes Lächeln bei ihr erzeugen würde, wenn ich mich körperlich mit ihr messen wollte. Druck erzeugt Gegendruck, das hatten mir vor allem Kühe schon oft bewiesen.
Also raus mit dem Druck, rein mit der Motivation. Eine leckere Mohrrübe, ein duftender Apfel oder ein knackiger Zwieback wird die Gute wohl
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