Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
uns reichen, finde ich. Ich nehme Vianello mit, weil wir in solchen Dingen gut eingespielt sind.«
Vezzani stand auf. »Ich bringe euch in meinem Wagen hin. Ihr könnt euren Fahrer zurückschicken. So vermeiden wir, mit einem Polizeiwagen dort anzurücken.« Er kam Brunettis Protest zuvor: »Ich will nicht mit euch reinkommen. Ich gehe so lange in einer Bar Kaffee trinken.«
15
Nummer 26 war eins der ersten in einer Reihe von Doppelhäusern hinter einer kleinen Einkaufszeile in den Außenbezirken von Mestre. Sie fuhren an dem Haus vorbei; Vezzani parkte das Zivilfahrzeug hundert Meter weiter. Als die drei Männer ausgestiegen waren, zeigte er auf eine Bar auf der anderen Straßenseite. »Ich warte dort«, sagte er.
Brunetti und Vianello gingen das Stück zurück und stiegen die Treppe zu Nummer 26 hinauf. Das Haus hatte zwei Türen und zwei Klingeln, beide mit Namensschildern darunter. Auf einem standen in verblasster Schrift die Namen »Cerulli« und »Fabretti«; auf dem anderen in Handschrift und unausgeblichen »Doni«. Dort klingelte Brunetti.
Ein dunkelhaariger Junge von etwa acht Jahren öffnete die Tür. Er war dünn, hatte blaue Augen und ein für sein Alter überraschend ernstes Gesicht. »Sind Sie die Polizisten?«, fragte er. In einer Hand hielt er eine futuristische Plastikwaffe, vielleicht eine Strahlenkanone. An der anderen hing ein ausgebleichter Teddybär mit einem großen kahlen Fleck am Bauch.
»Ja, das sind wir«, antwortete Brunetti. »Sagst du uns, wer du bist?«
»Teodoro«, sagte er und ließ sie eintreten. »Meine mamma ist im großen Zimmer.« Sie gingen an dem Jungen vorbei hinein, und er schloss die Tür hinter ihnen. Am Ende eines Flurs gelangten sie in ein Zimmer, das auf einen völlig verwilderten Garten hinaussah. In Vorstädten wie dieser waren die Gärten nach Brunettis Erfahrung meist von militärischer Strenge, Blumen und Gemüse schnurgerade ausgerichtet und zu jeder Jahreszeit sauber zurechtgestutzt und gejätet. Dieser kündete von Verwahrlosung; was früher einmal ordentlich gepflanzt gewesen sein mochte, wucherte jetzt kreuz und quer durcheinander. Brunetti sah die Stangen, die einst Tomaten und Bohnen gestützt hatten, unter Bergen von Unkraut schief und krumm daniederliegen, als sei der Garten am Ende des Sommers aufgegeben worden und jetzt im Frühjahr ganz und gar in Vergessenheit geraten.
Das Zimmer hingegen, in das der Junge sie führte, ließ keine Verwahrlosung erkennen. Ein maschinengewebter Orientteppich bedeckte weite Teile des Marmorbodens; an einer Wand stand ein dunkelblaues Sofa, davor ein niedriger Tisch mit einem akkuraten Stapel Zeitschriften. Dazu zwei geblümte Sessel im selben Dunkelblau wie das Sofa. An den Wänden sah Brunetti dunkel gerahmte Drucke von der Art, wie sie in Möbelgeschäften verkauft werden.
»Hier sind die Polizisten, mamma «, sagte der Junge. Die Frau stand auf und kam ihnen mit an den Körper gepressten Armen einen Schritt entgegen. Ihre steife Haltung ließ sie größer erscheinen als sie war. Sie mochte Ende dreißig sein, trug schulterlanges dunkles Haar und eine rechteckige Brille, die ihr Gesicht noch kantiger machte. Ihr Rock ging bis knapp über die Knie; darüber trug sie einen grauen Seidenpullover.
»Danke, Teodoro«, sagte sie. Sie nickte den beiden zu. »Ich bin Anna Doni.« Ihre Züge wurden weicher, aber sie lächelte nicht.
Brunetti stellte sich und Vianello vor und dankte ihr für die Bereitschaft, sie zu empfangen.
Der Junge sah zwischen den Erwachsenen hin und her. Sie drehte sich zu ihm um und sagte: »Ich finde, du solltest jetzt gehen und deine Hausaufgaben machen.«
Der Junge wollte widersprechen, ließ es dann aber. Er nickte und verschwand wortlos aus dem Zimmer, seine Waffe und den Teddy nahm er mit.
»Bitte, meine Herren«, sagte die Frau und wies auf das Sofa. Sie selbst nahm in einem Sessel Platz und erhob sich noch einmal kurz, um ihren Rock glattzuziehen. Als alle saßen, sagte sie: »Nun erklären Sie mir bitte, warum Sie gekommen sind.«
»Es geht um Ihren Mann, Signora«, sagte Brunetti. Da sie keine Fragen stellte, fuhr er fort: »Können Sie mir sagen, wann Sie ihn das letzte Mal gesehen oder von ihm gehört haben?«
Sie antwortete mit einer Gegenfrage: »Sie wissen, dass wir getrennt leben?«
Brunetti nickte, als sei ihm das bekannt, fragte aber nicht weiter nach. Schließlich erzählte sie: »Vor etwas über einer Woche habe ich ihn gesehen, als er Teodoro nach Hause gebracht
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