Tierische und andere Offerten
Lilly, das siebenjährige Mädchen, machte große Augen. Sie hatte die vielen Fischernetze entdeckt, die großen Katamarane, alte Fischkutter und moderne Fährschiffe. Mutter hatte ihr bereits vorab erzählt, dass hier eine große neue Erdölverflüssigungsanlage errichtet werde, so dass die Einwohner neue Arbeitsplätze erhalten würden, um nicht nur von der Fassherstellung, dem Fischfang und der Rentierjagd leben zu müssen. Die Anlage sah man aber vom Hafen aus nicht. Wohl aber die im Norden der Insel gelegene weit sichtbare Gasfackel. Mutter sagte ihr, dass die Einwohner diese Fackel »Schneewittchen« nennen, und sie das Gasverbrennen für einen großen Umweltskandal hält.
Gerade hatten sie das kleine Bürgermeisterhaus passiert, das einen weißen Eisbären auf rotem Grund als Wappen trägt, und fuhren nun in das angrenzende Waldgebiet, wo sie dann nach zehn Minuten ihr Ziel endgültig erreicht hatten.
Lilly warf sich in ihr Bett und war überglücklich, endlich zwei Wochen mit ihrer Mutter allein verbringen zu können.
»Lilly, pack bitte deine Sachen aus! – Was möchtest du essen? Grillfisch mit Pommes oder lieber Spaghetti?«, fragte die Mutter.
Die Antwort war natürlich klar: »Ich möchte Spaghetti essen!« Und somit war der erste Ferientag geschafft, aber dieser war schon der letzte Tag, der in Ruhe zu genießen war, denn in zwei Tagen sollte Lillys achter Geburtstag sein.
Am nächsten Tag machte Elisabeth Besorgungen für Lillys Überraschungsparty und fuhr mit ihr an den Hafen, wo es die meisten Geschäfte gab. Lilly durfte die Gegend ein bisschen erkunden und ging zum Eisbärenklub (The Royal and Ancient Polar Bear Society), wo und unter anderem auch ihre Mutter Mitglied war. In dem Klubhaus sah alles urgemütlich und sehr alt aus. Sie entdeckte in einer Ecke eine angelehnte Tür. Als sie hindurchspähte, sah sie in der Mitte eines kleinen dunklen Raums einen Eichentisch, um den herum finstere Gestalten saßen und angeregt tuschelten. Mit großen Augen versuchte sie gebannt zu verstehen, über was dort gesprochen wurde.
Ja, sie wusste, dass man das eigentlich nicht macht, aber sie hörte mehrmals das Word »Robbe, Robbenbabyfell«. Und als sie das Fell eines jungen Robbenbabys auf eben diesem Tisch liegen sah, wich sie erschrocken zurück. Dabei stieß sie unbewusst einen Schreckenslaut aus, was die Gruppe auf sie aufmerksam machte.
Ängstlich wandte sie sich um und rannte so schnell sie konnte aus dem Klub in Richtung Hafen und stieß dort prompt mit ihrer Mutter zusammen. Auf der Fahrt ins Ferienhaus sprach sie dann kein Wort. Ihre Mutter musterte sie nachdenklich und fragte sich im Stillen, wohin Lilly so eilig unterwegs war.
»Aufstehen mein kleiner Engel – alles Gute zu deinem achten Geburtstag!« So weckte Elisabeth ihre Tochter und küsse sie auf die Stirn. Lillys Augen strahlten, als sie den Tisch voller Geschenke entdeckte – allesamt von ihren Verwandten aus Deutschland.
»Sind die alle für mich ... wirklich für mich?«, fragte sie und riss stürmisch, ohne eine Antwort abzuwarten, ein Geschenk nach dem anderen auf. Sie freute sich so sehr, dass sie gar nicht mitbekam,
wie ihre Mutter heimlich ein Telefonat führte, in dem sie die Überraschungsparty für Lilly arrangierte. Sie wollte, dass ihr Engel den Tag nie vergaß.
»Mama, guck mal, hier ist eine Karte von einer Frau Kristine Bock! Weißt du, wer das ist?«
»Ja, das ist die Bürgermeisterin von Hammerfest. Sie ist eine Freundin von mir, das müsstest du doch wissen?«
Mrs. Taylor stutzte und verkündete ihrem Engel, Lilly, dass sie sich schon mal ins Auto setzen sollte, denn sie hätte eine Überraschung für sie. Folgsam, wie Lilly war, setzte sie sich abwartend und voller Vorfreude ins Auto, als die Männer vom Vortag plötzlich die Tür öffneten.
»Wer seid ihr?«, fragte Lily überrascht. Ihre Augen waren weit geöffnet und aufsteigende Unruhe erfasste sie.
»Wir sind Freunde von deiner Mama. Sie sagte, wir sollen schon mal vorfahren. Unser Auto steht dahinten. Kommst du mit?«
Das Kind wusste natürlich nicht, dass ihre Mutter die Männer gar nicht kannte. Sie wollten Lilly nur entführen, damit das Kind nicht verrät, dass sie Robbenfänger waren. Sie nahmen also Lilly an die Hand und gingen mit ihr zu ihrem Fluchtauto. Als die Mutter zum Mietauto kam und ihre Tochter nicht finden konnte, rief sie völlig aufgelöst die Polizei an und erklärte, dass ihre Tochter Lilly verschwunden sei. Sofort
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