Tiffany Duo 40
Chance
einer Ehe ist eher gering. Um im Jargon der Wetterprognosen zu sprechen - eine
dichte Bewölkung ist nicht zu erwarten.«
»Aber die Möglichkeit besteht?«
»Ja. Ich wollte, dass du's weißt.«
»Wie hast du ihn kennen gelernt?«
»Ich kenne ihn nicht und weiß nur wenig über ihn.«
»Und wieso hast du angefangen, mit ihm zu korrespondieren?«
»Er hat eine Heiratsanzeige aufgeben.«
Nun schaute Robert noch verblüffter drein. Madelyn hatte Mitleid mit ihm und goss
die dickflüssige, würzige Sauce über seine Spaghetti, ehe sie kalt wurden. Es sah so aus, als hätte er das Essen völlig vergessen.
»Du hast auf eine Heiratsannonce geantwortet?« fragte er mit belegter Stimme.
Sie nickte und richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihren eigenen Teller.
»Großer Gott, weißt du denn nicht, wie riskant so was ist?« rief er und erhob sich
halb von seinem Stuhl.
»Ja, das weiß ich.« Beruhigend tätschelte sie seine Hand. »Bitte, bleib sitzen und iss.
Du würdest bestimmt nicht in Panik geraten, wenn ich dir erzählen würde, ich hätte
in einer Single-Bar in Manhattan jemanden kennen gelernt. Und das wäre viel
riskanter als ein Treffen mit einem Rancher in Montana.«
»Selbstverständlich, wenn man's von einem vernünftigen Standpunkt aus
betrachtet. Aber es gibt andere Dinge zu bedenken. Wenn der Mann nun
gewalttätig wird? Womöglich ist er schon straffällig geworden - oder ein Betrüger.
Was weißt du überhaupt von ihm?«
»Er ist in deinem Alter, vierunddreißig und geschieden, keine Kinder. Und er besitzt eine Ranch in Montana. Ich habe an ein Postfach in Billings geschrieben.«
Madelyn entnahm dem scharfen Blick ihres Stiefbruders, dass er sich all diese
Einzelheiten einprägte und nichts davon
vergessen würde. Natürlich beabsichtigte er, Ray Duncan überprüfen zu lassen. Sie
wollte protestieren, hielt es aber für sinnlos. Robert würde sich nicht von seinem
Vorhaben abbringen lassen. Außerdem - wenn er den Bericht seines Detektivs
bekam, würde sie Mr. Duncan bereits kennen gelernt und sich eine eigene Meinung
gebildet haben.
Sie verstand Roberts Sorge und sein Bedürfnis, sie zu beschützen, fand seine Skepsis aber überflüssig. Der geradlinige Stil von Ray Duncans Briefen hatte ihr verraten,
dass dieser Mann nur die reine Wahrheit gelten ließ und sonst gar nichts - egal,
welchen Eindruck er erweckte. Und es erschien ihr sehr angenehm, nicht überlegen
zu müssen, ob dieses oder jenes Wort aufrichtig gemeint war.
»Könnte ich dir diese Reise ausreden?« fragte Robert. »Oder dich wenigstens
bewegen, das Treffen zu verschieben?«
»Nein.« Sie lächelte, und aus ihren grauen Augen strahlte unverhohlene Vorfreude.
»Ich bin so neugierig, dass ich's kaum noch aushalte.«
Seufzend schüttelte er den Kopf. Madelyn war tatsächlich sehr neugierig, auf ihre
eigene träge Art. Sie steckte zwar ihre Nase nicht in Dinge, die sie nichts angingen, aber sie erforschte alle Themen oder Situationen, die sie interessierten. Eine
ungewöhnlich formulierte Heiratsanzeige musste faszinierend auf sie wirken. Nichts
konnte sie daran hindern, den Mann kennenzulernen. Nun, wenn er ihre Pläne nicht
durchkreuzen konnte, würde er wenigstens dafür sorgen, dass sie nicht in Gefahr
geriet. Ehe sie ins Flugzeug stieg, würde er herausfinden, ob dieser Ray Duncan eine kriminelle Vergangenheit hatte - sogar, ob er einmal wegen Falschparkens bestraft
worden war. Und sollte auch nur das geringste auf irgendwelche
Unannehmlichkeiten hinweisen, die sie behelligen könnten, würde er sie davon
abhalten, an Bord dieser Maschine zu gehen, notfalls mit Gewalt.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, beugte sie sich vor. Nun zeigte ihr Gesicht
wieder jenen engelsgleichen Ausdruck, der
ihn stets misstrauisch machte. Wenn sie diese Miene aufsetzte, kochte sie vor Wut,
oder sie führte irgendeinen Streich im Schilde. Was immer es sein mochte, er erfuhr
es meistens erst dann, wenn es schon zu spät war. »Da du dich in mein Privatleben
einmischst, habe ich auch das Recht, in deine persönliche Sphäre einzudringen«,
bemerkte sie in sanftem Ton. »Und ich glaube, du brauchst Hilfe, was deine
Beziehungen zu den Frauen betrifft.«
Das meinte sie ernst. Sie bluffte nie und drohte nur, wenn sie entschlossen war, ihre Drohungen wahrzumachen. Wortlos zog er sein weißes Taschentuch hervor und
schwenkte es durch die Luft, um seine Kapitulation zu bekunden.
2. KAPITEL
Die Maschine
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