Tiffany Duo 48
Seine Pläne waren ganz einfach. Er mußte an seinem Buch arbeiten, Leona
überführen und Sybils Schutzwall durchbrechen, bis sie bereit war, sich sowohl
gefühlsmäßig als auch körperlich mit ihm einzulassen.
All das mußte er in sechs Wochen erledigt haben. Alles der Reihe nach, sagte er sich
und machte sich zielstrebig auf die Suche nach dem Buch mit den Zaubersprüchen.
4. KAPITEL
Sybil konnte Leona nicht erreichen. Sie war mit Mary Philbert in die Stadt gefahren,
die beiden würden nicht vor dem Abendessen zurück sein. Als sich schließlich die
Dunkelheit über das alte Haus senkte, wollte Sybil auch gar nicht mehr mit ihr reden.
Was kommt schon dabei heraus, wenn ich ihr von Nicks schändlichem Verdacht
erzähle? dachte sie und strickte mehr schlecht als recht Reihe um Reihe an ihrem
Machwerk. Dieser Verdacht war einfach absurd. Viel besser war es, ein Auge auf
Nick zu halten und seine Neugier etwas zu drosseln, anstatt ihre ältere Freundin mit
sinnlosem Klatsch zu belästigen.
Sie konnte nur hoffen, daß Nick nicht so brutal war, seinen böswilligen Verdacht
überall herumzuerzahlen. Bei all seinen Fehlem, und das schienen nicht wenige zu
sein, machte er jedoch nicht den Eindruck, als sei er rachsüchtig.
Für den höchst unwahrscheinlichen Fall allerdings, daß es ihm damit doch ernst war
und er anfing, Leona wegen eines unhaltbaren Verdachts das Leben
schwerzumachen, mußte sie doppelt wachsam und sehr vorsichtig werden. Sie
durfte Nick nicht aus den Augen lassen, um sicherzugehen, daß er ihrer Freundin
keine Schwierigkeiten machte. Sie konnte ihn nicht einfach ignorieren, wie sie es am
liebsten getan hätte - so redete
sie sich das wenigstens ein - sondern mußte ihn scharf beobachten.
Sybil hatte den arbeitsreichsten Tag des ganzen Jahres hinter sich. Acht zahlende
Kunden hatten fast hundert Dollar in die Kasse gebracht. Fast hätte sie vergessen,
daß sich außer ihr noch jemand im Haus befand, bis sie oben aus dem Büro das
Schieben eines Stuhls und ein Räuspem vernahm.
Am frühen Abend kamen die Mullers. Miss Edla, die rundlichere und gesprächigere
der beiden Schwestern, sah Sybil aus kurzsichtigen blaßblauen Augen verschmitzt
an, während Miss Minna versuchte, sich zwischen einem Lapispendel und einem
Tigerauge zu entscheiden, das sie ihrer völlig desinteressierten Nichte schenken
wollte.
"Wir mögen Ihren jungen Mann", verkündete Miss Edla und beugte sich vertraulich über den Ladentisch.
Sybil ließ erneut eine Masche fallen. "Meinen jungen Mann?" brachte sie mit bewundernswert echt wirkendem Erstaunen hervor. "Ich weiß gar nicht, wovon Sie
reden, Miss Edla!"
Die alte Dame kicherte vergnügt. "Aber natürlich wissen Sie das, Sybil! Im Laufe meiner dreiundachtzig Jahre habe ich einiges gelernt! Wir hatten Ihren jungen Mann
heute morgen bei uns zum Kaffee."
"Ach, Sie meinen Professor Fitzsimmons?" Sybils Tonfall hätte die gesamte übrige Bevölkerung von Vermont täuschen können. "Er ist nicht mein junger Mann, Miss
Edla. Wir verstehen uns nicht einmal sonderlich gut"
Aber Miss Edla ließ sich nicht so leicht täuschen. "Er hat uns alle möglichen Fragen nach Ihnen gestellt. Viel haben wir ihm nicht gesagt, nur so viel, um sein Interesse
weiter anzuregen. Als er dann weg war, haben wir die Sache ausgependelt. Keine
Frage, Sybil, er ist Ihr junger Mann."
Sybil haßte Unhöflichkeit älteren Menschen gegenüber, daher nahm sie sich sehr
zusammen. "Das werde ich zu verhindern wissen."
Miss Minna sah von ihrem Pendel auf. "Ich weiß nicht, ob Sie das können, Liebes", murmelte sie. "Wir sind ziemlich erfahren im Vorhersagen solcher Dinge. Bisher
haben wir uns noch nie getäuscht."
Nein, das haben sie auch nicht, erinnerte sich Sybil düster. "Nun, irgendwann ist immer das erste Mal", gab sie zu bedenken.
"Schon. Aber nicht dieses Mal. Hier..." Miss Minna nahm Sybil das Strickzeug fort, betrachtete es kurz mitleidig und drückte ihr dann ein Jadependel in die Hand.
"Versuchen Sie es selbst."
"Miss Minna, Sie wissen doch, ich kann nicht pendeln ..."
"Jeder kann es", widersprach Miss Edla streng. "Kommen Sie, versuchen Sie es nur."
Mit einem tiefen Seufzer hielt Sybil das Pendel über ihr linkes Knie. "Im
Uhrzeigersinn heißt ja, gegen den Uhrzeigersinn heißt nein", befahl sie mit
gelangweilter Stimme. Wie üblich reagierte das Pendel. "Habe ich braune Augen?"
Ja. "Bin ich dreißig Jahre alt?" Ja. "Liebe ich meine Familie?" Ein weniger
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