Tiffany Duo 48
dich endlich dem stellst, was dir angst
macht? Vielleicht siehst du dann ein, daß es absolut nichts gibt, weswegen du
Minderwertigkeitskomplexe haben müßtest."
"Ach, geh weg, Dulcy."
Dummerweise ging Dulcy wirklich. Sybil sah sich deprimiert um. Weihnachten kam
immer näher, vielleicht sollte sie nun doch mal anfangen, sich in die entsprechende
Stimmung zu bringen. Sie war so damit beschäftigt gewesen, gegen Nicks
Anziehungskraft anzukämpfen, daß sie noch nicht einmal einen Adventskranz
gebunden hatte. Ob sie dieses Jahr ausnahmsweise einmal einen kaufen sollte?
fragte sie sich unentschlossen und entschied sich schließlich dagegen.
Denk an Weihnachten, redete sie sich ein, während sie die große Kiste mit
Weihnachtsschmuck vom Boden holte. Denk an "Frieden auf Erden und den
Menschen ein Wohlgefallen". Allen Menschen. Allen Mensche n bis auf Nick
Fitzsimmons.
Sie legte eine Kassette mit mittelalterlichen Weihnachtsliedern ein, schenkte sich
noch etwas Cognac nach und machte sich an die Arbeit. Sie befestigte
Watteschneeflocken an den Fensterscheiben, stellte uralte Holzfiguren überall dort
hin, wo noch etwas Platz war zwischen all den Büchern, und verteilte im ganzen
Zimmer Kerzen unterschiedlicher Form und Größe.
Jedesmal, wenn das Telefon klingelte, schrak sie zusammen. Steve von der
Werkstatt rief an, um ihr mitzuteilen, daß ihr Wagen zwar angeschlagen, aber nicht
vernichtet sei. Ihre Eltern riefen an, um sich zu erkundigen, ob sie bei dem
Schneesturm heil zu Hause angekommen sei. Leona rief an und verkündete,
sie würde sie am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit abholen, dann könne
man sich ja auf einen Plan einigen. Sogar Edla Muller rief an und sagte ihr, sie freue sich, daß Sybil wieder da sei. Nur Nick meldete sich nicht.
Natürlich konnte ihr das nur recht sein. Das Problem mit den Männern ist, dachte sie
und verzierte die Holzbalken an der Decke mit goldenem Lametta, daß sie
verschwinden, sobald man sich in sie verliebt. Solange sich eine kluge Frau dagegen
zur Wehr setzte, nahmen die Männer die Herausforderung an. Sobald sie so dumm
war und ihr Herz verlor, verloren die Männer jedes Interesse.
Nun, ich kann auch das Interesse verlieren, nahm sie sich grimmig vor und ignorierte
dabei, daß sie ziemlich ungerechte Verallgemeinerungen anstellte. Noch war sie
nicht so blindlings verliebt, daß sie nicht noch einmal gegen ihre Gefühle ankämpfen
konnte. Wenn er sich nicht sehen ließ, würde es ihr am kommenden Tag schon
etwas besser gehen, am nächsten Mittwoch bereits ganz leidlich, und bis
Weihnachten hätte sie die Sache dann ganz und gar vergessen. Bis Weihnachten in
zehn Jahren, vielleicht.
Die Hunde lagen im ganzen Wohnzimmer verteilt schläfrig und behäbig auf dem
Boden. Sie hoben nur gerade müde den Kopf, als Nick lautlos und unangekündigt ins
Zimmr trat.
Sybil stand gerade auf einem etwas wackeligen Stuhl und wollte die
Deckenhängelampe mit ein paar weihnachtliche Kristallschnüren verzieren. Nick
kam zielstrebig auf sie zu, in seinen schönen Augen lag ein ziemlich entschlossener
Ausdruck, und eine Weile konnte Sybil nur wie versteinert dastehen.
Den ganzen Tag über hatte sie versucht zu verdrängen, wie atemberaubend gut er
aussah. Sein Gesicht war so faszinierend, daß man es kaum aus den Gedanken
verbannen konnte, sobald man es einmal gesehen hatte - angefangen von dem
dichten schwarzen Haar, Augenbrauen, den fesselnden Augen, bis hin
zu dem sinnlichen Mund. Wenn sie auch nur einen Moment länger in diese
verlangenden, hypnotisierenden Augen sah, würden sich alle ihre guten Vorsätze in
Luft auflösen. Wer würde dann die arme Leona vor ihm beschützen? Und wer die
arme Sybil selbst?
Ehe er die Arme nach ihr ausstrecken konnte, sprang sie vom Stuhl und verschanzte
sich hinter der Lehne. Nick blieb abrupt stehen, sein Blick hielt ihren gefangen, und um seinen Mund spielte ein leicht resigniertes, spöttisches Lächeln. "Ich nehme
nicht an, daß du wie ein verschrecktes Kaninchen vor mir flüchtest, nur weil ich mich ein paar Stunden verspätet habe, oder?"
"Ach, hast du das? Ist mir gar nicht aufgefallen." Ihre Stimme klang heiser und atemlos.
"Es ist acht Uhr. Ich hatte gehofft, bis spätestens fünf oder sechs wieder hier zu sein, aber ein Schneepflug hatte meinen Wagen am Flughafen verschüttet, ich brauchte
ziemlich lange, ihn wieder frei zu bekommen."
"Ich habe dich nicht erwartet."
Sein Seufzen klang
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