Tiffany Duo 48
sich wieder im
Uhrzeigersinn zu drehen.
Sybil stand da, biß sich auf ihre wunde Unterlippe und sah, wie es sich immer
schneller drehte, immer höher schwang ...
Irgendwann am Nachmittag kam Dulcy mit den Hunden. Sybil hatte nicht wieder bei
ihr angerufen, aber mit ihrem üblichen sechsten Sinn hatte Dulcy nicht nur von
Sybils Rückkehr erfahren, sondern auch von ihrer traurigen Gemütsverfassung. Also
brachte sie die Hunde, fertiges Essen vom Chinesen in St. Johnsbury und die größte
Flasche Cognac, die sie hatte auftreiben können.
Sie aßen gemeinsam, dann machten sie sich über den Cognac her. Um Punkt fünf
Uhr ging Dulcy wieder, sie wollte nicht stören, wenn Nick kam.
Sybil hatte ihr gar nicht gesagt, daß es ihr lieber gewesen wäre, wenn Dulcy noch
etwas bleiben würde, sie hatte ihr auch nicht gesagt, warum sie Nick aus dem Weg
gehen wollte. Überhaupt hatte sie bemerkenswert wenig von sich erzählt, aber als
Dulcy ihren Umhang umlegte und nach dem Schal griff, brauchte sie Sybil nur einmal
anzusehen, und sie mußte lachen.
"Du hast deine Unschuld verloren, wie?"
Sybil erstarrte kaum merklich. Sie saß auf dem Wohnzimmersofa, umringt von ihren
Hunden, und weigerte sich, aufzustehen. "Ich weiß nicht, wovon du redest."
"Oh, doch, das weißt du. Ich kann zwischen den Zeilen lesen. Um fünf Uhr morgens hast du deinen Wagen an den Baum gefahren, und du hast bis zum Nachmittag
gewartet mit dem Nachhausegehen. Irgend etwas mußt du ja in der ganzen
Zwischenzeit gemacht haben."
"Ich habe auf der Couch geschlafen."
"Sybil!" protestierte Dulcy. "Lüg mich doch nicht an! Zum einen ist das reine Zeitverschwendung. Zum anderen verletzt du damit meine Gefühle. Dann sag mir
schon lieber, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern."
"Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten."
"Schick ihn nicht weg, Sybil." Sie überhörte die Bemerkung geflissentlich. "Er ist es wert, daß du dich um ihn bemühst."
Sybil gab es auf. "Ich habe ihn dir zuerst angeboten."
Dulcy zuckte die Schultern. "Er wollte mich aber nicht. Er hatte dich bereits
gesehen."
"Ich bin wohl nicht der Typ, dich in den Schatten zu stellen, Dulcy."
"Darum geht es nicht. Du warst einfach diejenige, welche Nick suchte nicht nach
einem netten Abenteuer, einem hübschen Gesicht und einem hinreißenden Körper."
"Oh, vielen Dank."
"Nicht, daß er nicht alles drei bekommen hätte", beeilte Dulcy sich hinzuzufügen.
"Wer sagt, daß er es bekommen hat?"
"Dein Gesicht."
"Nun, er wird es aber nicht wieder bekommen. Das werde ich zu verhindern
wissen", verkündete Sybil und lehnte sich zurück.
"Warum nicht?"
"Da gibt es unzählige Gründe."
"Nenn mir einen."
Sybil beugte sich energisch nach vorn, so daß einer der Welpen jaulend von ihrem
Schoß zu Boden fiel. "Ich werde dir sogar zwei ganz ausgezeichnete Gründe nennen.
Der eine - er hat es auf Leona abgesehen. Er hat Nachforschungen über sie anstellen
lassen, er schikaniert sie, versucht sie in die Enge zu treiben ..."
"Du brichst mir das Herz", spottete Dulcy, sie war nie eine besondere Freundin von Leona gewesen. "Glaubst du nicht, daß Leona damit allein fertig wird? Liebe Güte, du bist nicht ihre Mutter!"
"Ich sehe es aber nicht gern mit an, wenn hilflose alte Frauen zu Opfern gemacht werden", verteidigte Sybil sich steif.
"Ich auch nicht. Allerdings hat Leona auf mich nie den Eindruck eines Opferlamms gemacht, sie kommt immer wieder auf die Beine. Wenn ich du wäre, würde ich
lieber meine Energie darauf verwenden, mir Sorgen um die Mullers und Mary
Philbert zu machen. Das sind die wahren Opfer."
"Verdammt, Leona hat ihr Geld nicht gestohlen!"
"Ach, das glaubt Nick also?" murmelte Dulcy fasziniert. "Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen."
"Es stimmt auch nicht."
Dulcy lächelte vage. "Dann nenn mir jetzt den zweiten ausgezeichneten Grund,
warum du mit Nick nichts zu tun haben willst."
"Er verkörpert all das, wovor ich geflohen bin, als ich hierher kam. Mein ganzes Leben lang bin ch vor Menschen wie ihm davongelaufen, vor der glänzenden
Vollkommenheit glänzender
Leute, vor komplizierten, streßbeladenen Lebensweisen." Kaum hatte sie diese
Worte ausgesprochen, da hätte sie sie am liebsten wieder zurückgenommen.
Dulcy mußte lächeln, als sie den Ausdruck unglücklichen Verstehens in Sybils Augen
sah. "Muß ich es überhaupt noch sagen, Sybil? Ist es nicht Zeit, daß du aufhörst, davonzulaufen? Ist es nicht Zeit, daß du
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