Tiffany Duo 48
ausgezeichnet
gewesen, gepflegt, akzentfrei. Als er über ihre Schultern sah, blickte er geradewegs
in Leonas kleine,
triumphierende Augen.
***
Die Heimfahrt von Dan Appletons Farm kam Sybil viel länger vor als sieben Meilen.
Die Straßen waren vereist, aber der Geländewagen kam recht gut voran. Die
Heizung funktionierte nun doch, und es hatte endlich aufgehört zu schneien. Sybil
erschauerte und wickelte den Schal fester um sich. Sie hatte Kopfschmerzen, und
ihre Augen tränten vom angestrengten Nachvornsehen.
Also hatte es bei Nicholas und Dulcy doch nicht eingeschlagen. Sie konnte sich nicht
erklären, warum sie sich insgeheim so darüber freute. Ohne Zweifel zog er kleine,
rundliche Brünette großen, schlanken Blonden vor. Aber wollte sie ihm denn
gefallen?
Natürlich wollte sie das nicht. Gerade jetzt hatte sie keinen Bedarf, sich das Leben
durch jemanden wie Nicholas Fitzsimmons schwerer machen zu lassen. Sicher, er
sah außerordentlich gut aus, als Frau konnte man gar nicht anders, als auf dieses
gute Aussehen zu reagieren. Und wenn er nicht so ein mürrisches, schlechtgelauntes
Gesicht machte, dann war er sogar noch unwiderstehlicher. Sie hatte ihm den mit
Whiskey versetzten Kaffee als eine Art Friedensangebot gebracht, und der kurze,
dankbare Blick, den er ihr daraufhin zugeworfen hatte, war für sie einfach
atemberaubend gewesen. Ganz zu schweigen
vom Ausdruck seiner hinreißenden Augen, als sie aus dem von Leona
heraufbeschworenen Alptraum erwacht war und er sie mit der ganzen Zärtlichkeit
eines Liebhabers im Arm gehalten hatte.
Aber dann war da auch dieser erstaunte, ungläubige Gesichtsausdruck gewesen, als
er plötzlich auf französisch auf sie eingeredet hatte. Sie hatte ein paar Worte
verstehen können, aber nicht den Sinn seiner Rede. Ihr Französisch war, höflich
ausgedrückt, miserabel.
Sie hatte sich nicht einmal von ihm verabschiedet. Feige wie sie war, hatte sie sich
davongeschlichen, ehe die anderen Mitglieder der Spukgruppe zum Aufbruch
drängten. Sie würde ihn ohnehin bald wiedersehen, Dan und Margaret wollten ihn
am kommenden Tag auf ihrem Weg zum Flughafen bei seinem Auto absetzen. Dann
mußte sie dafür sorgen, daß er in der Black Farm untergebracht wurde. Sie hatte
gehofft, diese unangnehme Aufgabe auf Leona abwälzen zu können, aber im
Vergleich zu der offenen Feindseligkeit zwischen den beiden hatte ihr eigenes
Verhältnis zu Nicholas fast wie Liebe auf den ersten Blick gewirkt. Nein, sie mußte
sich wohl selbst darum kümmern. Vielleicht hatte dieser Gedanke bei Tageslicht
keine so seltsame Wirkung mehr auf sie.
Leider war es mit dem Tageslicht im Dezember im Norden Vermonts nicht zum
Besten bestellt. Bestimmt gab es morgen neuerlichen Schnee, noch mehr Glatteis
und ganz sicher wieder trübes, dämmeriges Licht. Sie konnte sich natürlich den
morgigen Tag freinehmen und Weihnachtseinkäufe machen, das würde sie
aufheitern. Sie konnte auch einfach zu Hause bleiben, mit den Hunden spielen und
Nicholas überlassen, sich selbst nach der Farm durchzufragen.
Nein, so feige durfte sie nun doch nicht sein. Sie würde sich jetzt erst einmal richtig ausschlafen, dann war sie sicher in viel besserer Verfassung, um mit diesem
schlechtgelaunten, gutaussehenden und manchmal überraschend charmanten
Menschen fertigwerden zu können. Schließlich hatte er wahrscheinlich den ganzen
Abend keinen weiteren Gedanken mehr an sie verschwendet. Sie würde ihn in der
Farm unterbringen, und dann konnten sie einander vergessen.
Wahrscheinlich würde eher die Hölle zufrieren.
Das Bett war zu weich, zu schmal und zu kurz. Nicholas war es gewohnt, in einem
französischen Bett mit guter Matratze zu schlafen, dagegen kam ihm das kleine
Gästebett, das Margaret Appleton ihm zugewiesen hatte, wie eine Folterbank vor.
Aber wahrscheinlich hätte er in dieser Nacht nirgendwo gut geschlafen. Sein
körperliches Unbehagen wurde durch seelische Qualen noch weit übertroffen.
Bisher hatte er noch keine Möglichkeit gefunden, das, was er gesehen, gehört und
vor allem empfunden hatte, unter einen Hut zu bringen.
Er glaubte nicht an Rückführungen in frühere Leben. So einfach war das. Er glaubte
auch nicht an Wiedergeburt, wenigstens nicht ohne eine gehörige Skepsis. Die
meisten Rückführungen bestanden aus einer Mischung von Selbsthypnose, reger
Phantasie und halbverdrängten Erinnerungen an irgendwelche schlechten
historischen Romane, die man mal in
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