Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)
Eigentlich hätte sie sich vor Gray fürchten müssen, aber seine Berührung war ihr angenehm gewesen.
Sehr angenehm sogar.
Sie zog den Teebeutel aus der Tasse und legte ihn auf den Unterteller, bevor sie einen Schluck trank und Gray dabei unauffällig über den Rand der Tasse hinweg beobachtete.
“Ich nehme an”, sagte Gray, “Sie wundern sich, wo Sie da hineingeraten sind.” Prüfend betrachtete er sie mit seinen dunklen Augen. “Vermutlich denken Sie, Hawk ist der Bösewicht, weil er so von Ihnen spricht. Und Sie fragen sich bestimmt, warum Richard nicht hier war, obwohl es doch ausgemacht war. Ich gebe Ihnen einen Rat, Audrey.”
Gray beugte sich vor. “Machen Sie Ihre Buchprüfung, und fahren Sie wieder weg. Und vertrauen Sie niemandem.” Er stand auf, die Hände auf den Tisch gestützt. Irgendwie wirkte er jetzt bedrohlich, während er den Blick über ihr Gesicht gleiten ließ.
“Nicht einmal Ihnen?”
“Besonders mir nicht.”
“Obwohl Sie mich davor warnen …”
“Sie sind eine Frau, die tut, was sie will. Machen Sie nur keine Dummheiten.” Er sah jetzt verschlossen aus.
“Ich …” Sie schluckte und erinnerte sich, wie nah Gray ihr gewesen war und wie er gerochen hatte. Maskulin, frisch, schwach nach Moschus. Ihr war, als würden elektrische Ströme sie durchzucken.
Gray straffte sich und ging zur Tür. “Finden Sie allein in Ihr Zimmer zurück?”
Sie nickte, obwohl sie keineswegs sicher war, aber sie wollte es nicht zugeben.
“Dann sehen wir uns morgen früh.”
Er schloss die Tür hinter sich. Ohne Gray kam sich Audrey in der großen Küche verlassen vor. Während sie den Tee trank und den Kuchen aß, dachte sie über Grays Worte nach, dann räumte sie das Geschirr zusammen. Die ganze Zeit wiederholte sich seine Warnung in ihrem Kopf:
Vertrauen Sie niemandem.
Die Tür zu ihrem Zimmer war nur angelehnt, und sie stieß sie auf, um sich umzuschauen, bevor sie hineinging. Das Phantom, das ihr das Abendessen gebracht hatte, war wieder hier gewesen. Das Holzfach über dem Ofen war aufgefüllt, auf dem Feuer lagen neue Scheite und hielten die Kälte fern. Ein Quilt aus blauen, cremeweißen und terracottafarbenen Vierecken war über das Bett gebreitet, als hätte jemand gewusst – vermutlich Gray —, dass ihr kalt war.
Beim Blick auf die geschnitzte Vertäfelung hatte sie wieder das Gefühl, beobachtet zu werden, daher nahm sie eine Bluse und hängte sie darüber. Diese Behelfskonstruktion beruhigte sie ein wenig.
Nachdem sie die Tür abgeschlossen hatte, schlüpfte sie mit dem Bademantel ins Bett und machte eine neue Entdeckung: Am Fußende lag ein in Flanell eingewickelter warmer Stein, der die Laken durchwärmt hatte. Audrey lagerte die Füße darauf und genoss dankbar die Wärme. Sie gähnte, ein wenig überrascht, dass sie so müde war.
Vertrauen Sie niemandem.
Nicht einmal Gray.
Unmöglich, dachte sie. Er war genau der Typ Mann, dem sie vertrauen würde … dem sie sogar ihr Leben anvertrauen würde.
Stunden später erwachte Audrey von dem Gefühl, jemand habe ihren Namen geflüstert. Sie öffnete die Lider und blickte in die glühenden Kohlen, die wie Teufelsaugen wirkten und sie zu beobachten schienen. Mit einem ärgerlichen Laut über ihre kindischen Ängste schlug sie die Laken zurück und stand auf, um Holz nachzulegen. Wieder im Bett sah sie den Schein der Flammen, der über die Wände zuckte.
Schwache Geräusche nahm sie wahr, ein Luftzug, wie es schien. Als sie die Augen wieder schloss, drangen gedämpfte Stimmen an ihr Ohr, aber schon umfing der Schlaf sie. Sie träumte von einem großen Mann mit wachsam blickenden Augen. Und immer wieder warnte er sie eindringlich.
Am nächsten Morgen kleidete Audrey sich an, entnervt, dass sie keinerlei passende Garderobe für dieses Wetter eingepackt hatte, das sich ihr bot, nachdem sie die Vorhänge zurückgezogen hatte. Jemand musste die Läden geöffnet haben, und draußen war es nass, kalt und wenig einladend.
Schließlich zog sie ein blaues bedrucktes Kattunhemd über einem kragenlosen roten Sweater an, dazu Jeans und schlüpfte in Leinenschuhe. Sie wünschte, sie hätte Socken eingepackt.
Als sie aus dem Zimmer trat, stieg ihr das Aroma von Schinken und gerösteten Zwiebeln in die Nase, während sie sich der Küche näherte, aus der Stimmen drangen – die Grays und einer Frau.
Audrey verlangsamte ihre Schritte. Während sie sich den Kragen richtete, überkam sie die Erinnerung daran, wie Gray sie in den Armen
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