Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)
hinhielt. “Wo kommen Sie her?”
“Ich bin aus Georgia, Ma’am. U.S. Navy, seit Kurzem in Ruhestand.”
“Georgia. Soso.” Sie schnaubte. “In Ruhestand, sagen Sie? Sie scheinen mir noch reichlich jung für den Ruhestand zu sein. Was haben Sie mit dem Rest Ihres Lebens vor?”
Troy rieb sich den Nacken. “Also … offen gestanden habe ich mir das bis jetzt noch nicht so genau überlegt, Ma’am.”
“Nun, dann sollten Sie es aber schleunigst tun.” Dobrina beugte sich vor und stach ihm den Zeigefinger in die Brust. “Sie sollten etwas finden, wofür es sich zu leben lohnt.”
Troy warf Charly einen Hilfe suchenden Blick zu. Sie wusste, wie er sich fühlte, aber alles, was sie ihm anbieten konnte, war ein mitfühlendes Schulterzucken. Bei Tante Dobie war jeder Mann, jede Frau und jedes Kind auf sich allein gestellt.
Doch einen Moment später wusste er, wie er sich am besten aus der Affäre ziehen konnte. Er hielt erleichtert den mit Wasser gefüllten Napf hoch und sagte: “Ja, Ma’am. Äh … würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen? Muss mich um meinen Hund kümmern. War nett, Sie kennenzulernen.” Und damit ergriff er, sichtlich schwitzend, die Flucht.
“Scheint ja ein netter junger Mann zu sein”, schniefte Dobrina, während sie ihm nachschaute.
“Ein richtiger Pfadfinder”, brummte Charly, außerstande, sich davon abzuhalten, die breitschultrige, hochgewachsene Gestalt mit den schmalen Hüften mit Blicken zu verfolgen, wobei ihre Gedanken so weit entfernt waren von allem, was mit Pfadfindertum zu hatte, dass es ihr wie ein Wunder erschien, dass nicht strafende Blitze auf sie herabfuhren.
Als sie spürte, dass Dobrina ihr einen ihrer forschenden Blicke zuwarf, zuckte sie die Schultern und fügte hinzu: “Ich kenne ihn noch nicht sehr lange.” Und sie dachte, mein Gott, was für eine Untertreibung. Ich habe ihn erst gestern kennengelernt. Wie kann das sein?
“Na schön, wir sollten uns vielleicht besser hinsetzen”, sagte Dobrina abrupt und drückte Charlys Ellbogen, bevor sie an ihr vorbei ins Wartezimmer marschierte.
Charly bewerkstelligte ein Nicken, allerdings ohne sich von der Stelle zu rühren. Sie fühlte sich zu aufgewühlt, um sich hinzusetzen. Sie nippte an ihrem bitteren, lauwarmen Kaffee und lauschte dem entfernten Piepsen der Monitore, dem gedämpften Stimmengemurmel, den klingelnden Telefonen und versuchte, dem Chaos, in das ihr Leben so unerwartet gestürzt war, einen Sinn zu entnehmen.
Es schien unmöglich. Als sie gestern Morgen aufgewacht war, war sie eine erfolgreiche Anwältin aus L.A. gewesen, die sich in aller Herrgottsfrühe den Wecker gestellt hatte, weil sie nach Georgia fliegen wollte, um bei der Hochzeit ihrer besten Freundin dabei zu sein. Wie hatten sich die Dinge so schnell in eine so falsche Richtung entwickeln können?
“Ich kann es nicht glauben, dass das passiert ist”, flüsterte sie. “Das habe ich nicht gewollt.” Dann schaute sie zu Dobrina hinüber, die mit geschlossenen Augen dasaß und ihre Hände über der großen schwarzen Handtasche, die auf ihren Knien ruhte, gefaltet hatte. Sie wiegte sich langsam vor und zurück und bewegte die Lippen. Als Charly klar wurde, dass sie betete, durchzuckte sie Schamgefühl.
Doch einen Moment später öffnete Dobrina die Augen und sagte sanft: “Natürlich nicht, Kind.”
Charly bewegte sich langsam auf sie zu, wobei sie noch immer den Kaffeebecher umklammerte wie einen Talisman. “Ich bin wegen meiner Handtasche zurückgekommen.” Ihre Zähne klapperten. Sie presste die Kiefer aufeinander und lachte gepeinigt auf. “Und weißt du was? Jetzt habe ich sie wieder vergessen.”
Dobrina saß kerzengerade da und starrte ins Nichts. Sie nickte zweimal und sagte dann mit leiser, weit entfernt klingender Stimme, als ob sie zu sich selbst spräche: “Ich weiß … ich weiß. Es tut mir leid, dass ich das getan habe. Es ist meine Schuld … meine Schuld. Ich hätte mich nie einmischen dürfen.”
Charly focht einen schweigenden Kampf mit ihrem Zorn und ihren Verlustgefühlen aus. Sie ging zu Dobrina und legte der Frau die Hand über deren gefaltete Hände und drückte sie kurz.
“Weißt du was?”, sagte sie gepresst. “Es ist weder deine noch meine Schuld. Es ist
seine
Schuld.” Sie deutete ruckartig mit dem Kopf auf die Tür des Wartezimmers.
Dobrina kehrte mit einem kleinen Keuchen in die Wirklichkeit zurück, zog ihre Hände unter Charlys Hand hervor und gab Charly einen Klaps auf den Arm.
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