Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)
“Sag das nicht noch mal. Ich lasse es nicht zu, dass du so über ihn sprichst. Ich lasse es nicht zu.”
“Oh Gott.” Charly lehnte den Kopf an die Wand und schloss die Augen. Nach einem Moment sagte sie erschöpft: “Das hast du schon immer gemacht. Du hattest für alles eine Entschuldigung bei ihm. Du hast ihn immer in Schutz genommen. Warum ausgerechnet du? Du weißt doch, wie er ist.”
“Oh, ich gehe davon aus, dass ich ihn besser kenne als alle anderen.” Charly hörte einen leisen Seufzer, dann ein unerwartetes Kichern. “Ich weiß, dass er ein sturer alter Idiot ist.”
“Und doch bist du die ganzen Jahre über bei ihm geblieben.”
Eine Weile herrschte Schweigen. Dann sagte Dobrina in einem sanften singenden Tonfall, der sich bei ihr völlig ungewohnt anhörte: “Einmal habe ich ihn fast verlassen.”
“Wirklich?” Charly setzte sich auf und öffnete die Augen. “Wann?”
“Oh, ja … ja, fast war ich so weit.” Dobrina nickte und schaute vor sich hin. “Das war, als du weggingst, Kind. Aber dann brachte er den Jungen mit nach Hause. Er brauchte mich. Was also sollte ich tun? Ich blieb.”
Er brachte den Jungen mit nach Hause
. Charly fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Schlag vor die Brust versetzt. “Den Jungen …”, sie musste innehalten, um Luft zu holen, “… du meinst, meinen Sohn. Er brachte ihn …
nach Hause
? Du meinst … du hast meinen Sohn großgezogen?
Du?”
“Ich.” Dobrina senkte den Kopf, dann hob sie ihn stolz. “Ich habe ihn großgezogen, genau wie ich dich großgezogen habe.” Sie griff nach Charlys eiskalter Hand und drückte sie fest. “Er ist ein guter Junge … ein
guter
Junge.”
Charlys Gesicht war eine Maske. Sie bemühte sich verzweifelt, sie intaktzuhalten … sie hatte keine andere Wahl. Dahinter verbarg sich die totale Verwüstung. “Erzähl mir alles über ihn”, flüsterte sie. “Bitte. Erzähl es mir, wo ist er? Was macht er?”
“Nun, er hat gerade sein zweites Studienjahr hinter sich gebracht”, berichtete Dobrina strahlend, stolz wie eine leibliche Mutter. “Mit Auszeichnungen … oh, er ist so klug, dieser Junge. Er will Arzt werden, weißt du.”
Charlys Auflachen klang leicht schrill und war fast ein Schluchzen. “Sein Vater wollte auch Arzt werden.”
“Er sollte jetzt eigentlich schon zu Hause sein”, fuhr Dobrina fort, als ob sie Charlys Einwurf nicht gehört hätte. “Die letzten Prüfungen hatten sie schon vergangene Woche. Aber er wollte noch mit Freunden ein paar Tage nach New Orleans runterfahren, um ein bisschen zu feiern.” Plötzlich wiegte sie sich wieder vor und zurück, ihr Blick wirkte verloren und ihre Stimme klang rau. “Ich habe angerufen und ihm eine Nachricht hinterlassen, dass er sofort nach Hause kommen soll.”
Charly bekam keine Luft. Sie presste eine Hand auf ihr schmerzendes Herz und flüsterte: “Er kommt her?”
Dobrina schien sie nicht zu hören. Sie murmelte: “Oh, Himmel, ich weiß gar nicht, was er sagt, wenn er es erfährt. Ich weiß einfach nicht …”
“Er und mein Vater …” Die Worte kamen schärfer heraus, als es Charlys Absicht gewesen war. Sie schluckte schwer und fuhr gedämpfter fort: “Stehen sie sich … nah?”
Dobrinas Gesicht hellte sich auf. “Ach du meine Güte, ja, und wie! Er ist der Augapfel deines Vaters, dieser Junge. Oh, ja, sie stehen sich sehr nah. Wirklich nah. Wie Vater und Sohn.”
Vater und Sohn.
Aber was ist mit mir? Ich bin seine Tochter!
Sie holte wieder tief Atem, um sich zu beruhigen, und fragte mit verzweifelter Munterkeit: “Wie heißt er?” Sie hatte ihn Colin Stewart genannt, nach seinem Vater. “Habt ihr … hat er den Namen …”
Dobrina nickte. “Laut Geburtsurkunde heißt er Colin, aber er wird Cutter genannt. Cutter Phelps.” Natürlich sprach Dobrina es auf die Alabama-Art aus:
Cuddah
.
“Cutter …”, wiederholte Charly wie betäubt. Sie war einmal mehr und aller Bemühungen zum Trotz den Tränen nahe. “Ich wollte ihn doch nur sehen”, flüsterte sie. “Das ist alles … ich wollte ja nicht einmal, dass er erfährt, wer ich bin, verstehst du? Ihn … einfach nur sehen. Ich sagte es ihm … meinem Vater … Und das hat ihn so aufgeregt. War es zu viel, ihn darum zu bitten? Hasst er mich so sehr?”
“Oh, Kind”, sagte Dobrina mit brechender Stimme. “Er hasst dich nicht.”
“Doch, er hasst mich!” Charly wusste, dass sie wie ein verletztes kleines Mädchen klang, aber sie war machtlos dagegen. “Er hat
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