Tiffany Duo Band 0124
auf einem Ecktisch stand eine Lampe, die ein warmes Licht verbreitete. Ihm wurde wieder schwarz vor Augen, und er griff nach ihrer Hand.
“Señora”
, sagte er drängend und unterbrach sich, um nach den passenden englischen Wörtern zu suchen.
“Ich bin hier.” Ihre Hand war stark. Zuverlässig.
Sie beugte sich über ihn, und er sah, dass sie ein Gesicht wie eine Madonna hatte — diese glatte weiße Haut, der Schmelz in den Augen, und der lange braune Zopf mit den hellen Strähnen, der im Lampenlicht glänzte.
“Erzählen Sie mir von Josefina”, sagte sie auf Spanisch.
“Ich habe sie bei der Razzia verloren, und sie ist krank.” Er versuchte sich zu erinnern, was er noch über sie sagen könnte. “Sie ist … klein.
Ocho años
.”
“Ihre Tochter?”
“Nein, nein.” Wieder wurde ihm schwarz vor Augen. “Meine Nichte …
por favor
.”
“Ich werde sie finden”, versprach sie und drückte seine Hand.
Er glaubte ihr und hörte auf, sich gegen die Dunkelheit zu wehren, die ihn jetzt in ihre samtige Decke einhüllte.
2. KAPITEL
Molly wusste, dass sie nicht gut lügen konnte. Immerhin hatte sie sich bisher in ihrem Leben nur selten genötigt gesehen, zu einer Lüge Zuflucht nehmen zu müssen, und um etwas gut zu können, benötigte man Übung. Doch weil sie einen Grund brauchte, um die Fragen zu stellen, die sie stellen wollte, legte sie sich auf dem Weg ins Café Navajo eine Geschichte zurecht.
Die Kuhglocke über der Tür bimmelte, als Molly das Café betrat, und sie winkte auf ihrem Weg zur Theke mehreren Bekannten zu. “Hallo, Maureen”, sagte sie zu der Kellnerin und kletterte auf den Barhocker. “Kaffee, bitte.”
“Auf der Tageskarte haben wir heute
burritos
mit schwarzen Bohnen”, sagte Maureen und drehte eine schwere Keramiktasse um. “Und Meeresfrüchtesuppe.”
“Suppe, bitte.” Sie schaute sich beiläufig um. “Nicht viel los heute, was?” Auf der anderen Seite des Raums sah sie ein über einen Stapel Papiere gebeugtes vertrautes Gesicht. Josh. Seine blonden Haare waren zerzaust, die Krawatte war gelockert. “Bringen Sie mir mein Essen zu meinem Bruder an den Tisch”, sagte sie und schwang sich vom Barhocker.
“Alles klar, Honey.”
Josh, der ganz in seine Arbeit vertieft war, hatte sie noch nicht entdeckt, und für einen Moment wurde Molly schwankend. Er sah erschöpft aus. Leider aber wusste sie, dass er an seiner Erschöpfung zum Teil selbst schuld war. Er war drei Jahre jünger als sie — siebenundzwanzig — ehrenwert und liebenswürdig, aber manchmal war er so dogmatisch, dass nicht einfach mit ihm auszukommen war. Sie hoffte immer noch, dass er eines Tages etwas mitfühlender werden würde, aber bis jetzt konnte sie noch keine Anzeichen dafür entdecken. Er stiefelte ohne einen Blick nach rechts und links stur geradeaus und hoffte, der Rest der Welt würde ihm folgen.
“Hallo, Fremder”, sagte sie, in die Bank rutschend.
Er schaute auf. “Molly!” Er brauchte einen Moment, um sich auf die neue Situation einzustellen. “Was ist los? Ist alles okay?”
“Ja, bestens.” Sie half ihm, seine Unterlagen zusammenzuschieben “Warum arbeitest du noch so spät?”
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, sodass es an einer Stelle hochstand. “Ich komme mit der Arbeit nicht nach.”
Molly streckte die Hand aus und strich ihm die widerspenstige Locke glatt. “Du solltest jetzt eigentlich bei Lynette zu Hause sein.”
“Dort kann ich nicht arbeiten. Ich habe sie angerufen.” Er senkte den Blick. “Ich fühle mich nicht toll dabei, aber die Kids sind abends immer so aufgedreht.”
Molly wollte sich schon fast anbieten, heute Abend Babysitter zu spielen, doch dann fiel ihr der Fremde ein, der in ihrem Gästezimmer schlief. “Halt durch, Kleiner”, sagte sie. “Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie dich abends um die Autoschlüssel bitten.”
Er warf seinen Kugelschreiber hin. “Erinnere mich nicht daran.”
“Hast du schon gegessen?”
“Keine Zeit.” Er deutete auf den Papierstapel vor sich. “Das ist alles von der Razzia letzte Nacht. Ich weiß wirklich nicht, warum zum Teufel wir alles haarklein …” Er warf ihr ein bedauerndes Lächeln zu. “Egal.”
“Ich geb dir ein Essen aus”, sagte sie und schielte unauffällig auf den Papierstapel. “Was willst du, ein Steak?”
“Das kann ich nicht zulassen, Molly.”
“Stell dich nicht so an.” Er ernährte mit dem mageren Gehalt eines Hilfssheriffs eine vierköpfige Familie. Molly
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