Tiffany Duo Band 0133
…
Debbies Hände glitten aus seinen Haaren auf seine Schultern und stießen ihn zu hart von sich, als dass er es hätte ignorieren können.
Widerstrebend ließ er sie los. Mit einem Anflug männlicher Genugtuung registrierte er, dass sie fast so benommen dreinschaute, wie er sich fühlte. Ihre Pupillen waren weit. Ihre Lippen waren feucht und gut geküsst.
Aber sie hatte sich schon von ihm abgewandt und ihre Lehrerinnenmaske aufgesetzt. Sie fuhr sich mit der Zunge über die sowieso schon nassen Lippen, schaute über die Schulter und wieder zu ihm zurück.
“Du hast Besuch”, sagte sie.
“Was?”
Er schaute sich um und sah Lori Tucker am Steuer ihres roten Miata sitzen, den sie hinter Myra Jordans altem Buick geparkt hatte.
Das Crescendo. Eine Autohupe. Richtig.
Ah, Teufel noch mal.
Normalerweise war er selten um eine Erklärung verlegen, und meistens nahm man sie ihm auch noch ab, aber in diesem Augenblick fühlte sich Sean absolut überfordert.
Debbie nahm es für ihn in die Hand, und das war vielleicht noch schlimmer.
Sie trat einen Schritt von ihm weg, zupfte sich die weiße Bluse zurecht und stellte die alte Ordnung wieder her. Gelassenheit. Distanz.
“Hallo”, sagte sie. “Sie wollen sicher zu Sean. Er gehört Ihnen.”
Sie öffnete die Fliegengittertür, und ihr gerader Rücken verschwand im Schatten des Hauses.
Lori, die ausgestiegen war, kam mit trotz ihrer schwindelerregend hohen Absätze graziösen Bewegungen den Weg heraufgeschlendert. Sean genoss das Bild, das sie abgab, auch wenn es ihn längst nicht so vom Hocker riss wie Debbie in ihrem wadenlangen Rock und den zweckmäßigen Lehrerinnenschuhen.
Lori blieb am Fuß der Treppe stehen und winkte ihm mit einem weißen Umschlag zu. “Ich bringe dir deinen letzten Gehaltsscheck.”
Er ging ihr entgegen, griff nach dem Umschlag und schob ihn in seine Gesäßtasche. “Danke. Vermutlich will Walt, dass ich mich auf der Baustelle nicht mehr blicken lasse, stimmt ‘s?”
“Du sagst es, großer Junge.” Sie zog die Augenbrauen hoch. “Schätze, dann sehen wir uns wohl auch nicht mehr.”
Sie meinte es nicht nur im Zusammenhang mit der Arbeit, und es war ihnen beiden bewusst. Sean war dankbar für den leichten Ausweg, den sie ihm bot. Aber schließlich hatten sie beide von Anfang an gewusst, dass mehr als eine gute Zeit zwischen ihnen nicht drin war.
“Sieht so aus”, sagte er.
“Na dann.” Sie zögerte und schirmte ihre Augen mit den Händen gegen die Sonne ab. “Es hat Spaß gemacht.”
“Ja, das hat es.” Als sie sich auf ihren hohen Absätzen zum Gehen wandte, legte er ihr eine Hand auf den Arm und hielt sie fest. “Lori …, danke.”
“Nichts zu danken, großer Junge. Ruf mich an, wenn du wieder frei bist. Tschüs dann.”
Hatte er den Verstand verloren? Warum tauschte er ein adrettes Päckchen wie Lori gegen das chaotische Bündel aus Wärme und Verantwortungsgefühl, das Debbie war, ein?
Vorausgesetzt, dass sie diesen Tauschhandel überhaupt befürwortete. Er wusste nicht, welche Bedeutung ihr Kuss mit vollem Körperkontakt für Debbie hatte.
Zum Kuckuck, er wusste ja nicht einmal, was für eine Bedeutung er für ihn selbst hatte. Sein Körper schrie
Mit Volldampf voran
und sein Kopf schrie
Mit Volldampf zurück
. Aber egal ob er auf seinen Körper oder auf seinen Kopf hörte, Lori gegenüber wäre es unfair gewesen, so zu tun, als ob sie immer noch seine ungeteilte Aufmerksamkeit hätte.
Deshalb schaute er zu, wie die Maklerin in ihrem hübschen knappen Kostümchen zu ihrem Auto stöckelte und fragte sich, was zum Teufel er da eigentlich machte.
Ein Kuss bedeutet gar nichts, versuchte Debbie sich einzureden, während sie die Waschlappen ihrer Kinder auswrang und auf dem Handtuchhalter am Waschbecken zum Trocknen aufhängte. Sean küsste wahrscheinlich ständig irgendwelche Frauen. Und mit dieser wild gelockten Schwester, die da heute Nachmittag die Einfahrt hinaufgestöckelt war, machte er wahrscheinlich noch viel mehr.
Dass sie sich einbildete, Seans Kuss könne mehr gewesen sein als eine stinknormale männliche Reaktion auf jedes weibliche Wesen, das sich die Wimpern getuscht hatte, lag nur daran, weil sie so einsam, so verzweifelt auf der Suche nach Trost war.
Al sie im Spiegel über dem Waschbecken einen Blick auf sich erhaschte, zuckte sie zusammen. Ihre eigene Wimperntusche, die sie heute Morgen vor der Schule so sorgfältig aufgelegt hatte, war verschmiert und bildete Ringe unter ihren Augen. Sie
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