Tiffany Duo Band 0133
strahlend blau. Die Einfamilienhäuser, an denen sie vorbeikam, hatten ebenso wenig etwas Bedrohliches wie die ländlichen Briefkästen und die steinerne Kunst in den Gärten. Es gab nichts Unheimliches an den still daliegenden Feldern, nur Kühe und noch mal Kühe und sich langsam gelb färbende Tabakpflanzen.
Als das Handy auf dem Sitz neben ihr klingelte, schrak sie zusammen. Idiotisch. Die Kinder waren bei den MacNeills gut aufgehoben. Sean – sie unterdrückte rigoros ihre Sehnsucht nach ihm – hatte sich jetzt bestimmt schon in der Garage an die Arbeit gemacht, und sie war unterwegs, um sich die Bilottis ein für alle Mal vom Hals zu schaffen. Es war idiotisch, Panik zu bekommen, nur weil Lee Gowan sich davon überzeugen wollte, dass alles in Ordnung war.
Sie angelte sich das Telefon vom Beifahrersitz, wobei sie ein bisschen zu nah an den Mittelstreifen kam. “Hallo?”
“Haben Sie das Geld dabei?”
Vor Schreck bekam sie keinen Ton heraus. Sie kannte diese Stimme. Oh, Gott, sie kannte sie. Sie gehörte nicht Lee Gowan.
“Haben Sie mich gehört?”, fragte Carmine Bilotti.
Sie befeuchtete sich die Lippen. Ihre Augen suchten nach dem Funkgerät unter ihrer Sonnenblende. Sie konnte ihn hören, ja, aber sonst niemand. “Ich höre Sie.”
“Haben Sie es dabei oder nicht?”
Das Geld. “Ja.”
“Gut. Dann biegen Sie jetzt nach links in die Powell Road ab.”
Wenn sie jetzt abbog, würde sie von der Highschool wegkommen, wo sich Gowan mit acht Leuten versteckt hatte. “Warum?”
“Wollen Sie sich mit mir anlegen, Mrs Fuller?”
“Nein.”
“Tun Sie, was er Ihnen sagt”, hatte Gowan sie instruiert. Mit zitternden Händen bog sie, so vorsichtig wie die alte Dame, die sie eines Tages hoffentlich sein würde, nach links auf eine leere Straße ab. “Wir werden da sein, um Ihnen zu helfen.” Aber jetzt waren die Versicherungen des Agenten absolut keine Hilfe, weil jeder Meter, den sie zurücklegte, sie weiter von ihm wegbrachte.
Er würde ihr nur bis zur Old Graham Road nachfahren, sagte sich Sean. Das war noch mehr als eine Meile von der Schule entfernt. Er würde an den Leuten, die Gowan an der großen Kreuzung postiert hatte, vorbeifahren, und dann würde er sich nicht weiter einmischen.
Die Sonnenstrahlen brachen sich auf dem Dach von Myra Jordans Buick, der vor ihm den Hügel hinaufkletterte. Debbie fuhr wie eine Anfängerin. Als sie sich der Kreuzung näherte, bremste sie behutsam ab und setzte den Blinker. Er fuhr ebenfalls langsamer. Er wollte nicht, dass sie ihn entdeckte und sich womöglich Sorgen machte.
He, Moment mal. Sie blinkt?
Warum bog sie ab? Die Powell Road führte aus der Stadt heraus. Debbie hatte keinen Grund, dorthin zu fahren. Dort gab es nur ein paar verstreut liegende Farmen und einige Bauplätze. Es sei denn, sie hatte sich mit Bilotti seit gestern auf einen anderen Übergabeort verständigt und ihm nichts davon gesagt.
Sean biss die Zähne zusammen. Sie hatte ihm nichts gesagt. Er fühlte sich in seinem Stolz verletzt. Sie hatte ihm nicht genug vertraut. Aber mehr noch schmerzte ihn ihr Verrat. Hatte sie ihm nicht erst letzte Nacht erlaubt, sie rückhaltlos zu lieben, und hatte sie ihn nicht ebenso rückhaltlos geliebt? Wie konnte sie das tun und ihn dann anlügen?
Es sei denn, sie hatte nicht gelogen.
Seine Angst bewirkte, dass sich ihm die Nackenhaare sträubten. Es sei denn, irgendetwas war schiefgegangen.
Verdammt, verdammt, verdammt. Er trommelte mit den Fingerspitzen auf dem Lenkrad herum. Er konnte auf die Old Graham Road fahren und hoffen, der Anblick seines glänzenden roten Trucks würde Gowans Leute provozieren, sich zu zeigen. Dann konnte er von ihnen eine Erklärung verlangen. Oder er konnte links abbiegen und Debbie folgen und hoffen, dass er sie dadurch nicht in noch größere Gefahr brachte.
Er erreichte die Kreuzung. Debbies Auto war nirgends mehr zu sehen.
Er bog links ab auf die Powell.
Heilige Mutter Gottes, bete für uns.
Das Steuer fest umklammernd lenkte Debbie das Auto um eine weitere Kurve. Ihr tat der Hals weh, weil sie das Handy zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt hatte. Als sie abbog, fiel es ihr fast herunter. Sie fing es auf, wobei sie für eine Sekunde die Herrschaft über das Auto verlor und sich gefährlich dem Mittelstreifen näherte.
“Sind Sie noch da?”, fragte Carmine Bilotti.
“Ja”, brummte sie.
Sie würde keinen Unfall bauen. Sie würde überleben. Sie würde ihren vaterlosen Kindern nicht auch noch die
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