Tiffany Duo Band 0142
Parklücke.
Fest umklammerte er das Lenkrad. Er schwitzte, zitterte, Zorn erfüllte ihn. Er hatte beschlossen zu gehen, ehe er dem Impuls nachgab, Anna einfach aus dieser schäbigen Kaschemme wegzutragen. Es hatte ihm nicht gefallen, sie so erschöpft zu sehen. Noch weniger hatte ihm gefallen, wie der junge Kerl sich ihr genähert und sie angemacht hatte.
Er presste die Lippen zusammen. In seiner Familie wurden Frauen geschützt und behütet. Niemand schien Anna zu beschützen.
Nur er.
Der Gedanke setzte sich in ihm fest, als er auf eine Lücke im Verkehr wartete. Wenn er Anna am Abend abholte, würde er ihr seine Gefühle offenbaren und ihr sagen, dass sie nicht mehr bei
Joe’s
arbeiten würde. Es war ihm egal, ob sie deswegen streiten würden oder nicht, aber er würde sie nicht hierher zurückkehren lassen. Nie wieder.
Er würde ihr einen anderen Job suchen. In dem Unternehmen seiner Familie. Obwohl sie dieses Angebot vermutlich zurückweisen würde. Ein Anflug von Belustigung lockerte seine Anspannung. Nichts an Anna deutete darauf hin, dass sie Wohltätigkeit akzeptierte. Sie schien so stolz und würdevoll. Er wusste nicht, warum sie illegal arbeitete oder einen falschen Namen benutzte, aber er war plötzlich überzeugt, dass sie das Gesetz nicht freiwillig gebrochen hatte. Wenn sie auf der Flucht war, dann weil jemand ihr ein Leid zufügen wollte.
Als Blade den Parkplatz verließ, fuhr ein brauner Ford hinein. Ein Mann stieg aus und ging leicht hinkend ins “Joe’s”. Er setzte sich und studierte die Speisekarte, obwohl er nicht hungrig war. Während er auf den Kaffee wartete, musterte er die Kellnerinnen unauffällig. Als er jene entdeckt hatte, die er suchte, entfaltete er eine mitgebrachte Zeitung und verbarg sich dahinter. Der Kaffee kam, er trank ihn und verzog das Gesicht, weil er so schlecht schmeckte.
Als er fertig war, ging er zur Toilette, dann hinaus zu seinem Wagen – der genau vor dem Personaleingang parkte – setzte sich hinein und wartete.
Eine Stunde bevor ihre Schicht zu Ende war, verließ Anna
Joe’s
– für immer. Sie hatte etwas Geld in der Tasche, wenn auch nicht annähernd so viel, wie es sein sollte. Rafferty, der Manager des Lokals, hatte ihr kaum die Hälfte der Stunden bezahlt, die sie gearbeitet hatte. Sie hatte sich darauf eingestellt, dass er sie betrügen würde – und er hatte sie nicht enttäuscht. Die Hälfte ihres Lohns hatte er selbst eingesteckt und sich währenddessen über ihre hilflose Wut noch amüsiert.
Anna brauchte das Geld. Aber sie hatte sich nicht wehren können – und vor allem hatte sie Rafferty nicht den Gefallen tun wollen zu betteln. Das Geld musste reichen, bis sie einen neuen Job fand.
Als sie zur Bushaltestelle ging, musterte Anna automatisch die Umgebung. Schon wieder hatte sie so ein ungutes Gefühl.
Vor wenigen Minuten hatte es noch geregnet, doch jetzt hatte der Wind nachgelassen, und die Sonne schien. Wärme und Licht brachten alles zum Glänzen. Dampf stieg von den feuchten Straßen auf. Manche Leute hatten den Mantel über den Arm genommen und gingen nur im offenen Hemd. Anna hingegen fror.
Sie hatte sich im
Joe’s
noch umgezogen und ihre Kellnerinnenuniform gegen Jeans und Pullover getauscht. Aber trotzdem verkroch sie sich beim Gehen tief in ihren Mantel und ballte eine Hand zur Faust, um sich zu wärmen. In der anderen Hand trug sie ihre Aktentasche, die Finger waren vor Kälte klamm.
Es war eine Kälte, die von tief innen kam, wie Schüttelfrost oder die Nachwirkungen eines Schocks. Sie hatte es oft genug erlebt, um zu wissen, dass ihr nur schwer warm werden würde, wie viel sie auch anziehen mochte.
Sie blieb an der Haltestelle stehen und schaute sich um. Alles schien normal, keiner beachtete sie.
Was war nur aus ihrem Leben geworden? Beinahe sieben Jahre hatte sie mehr überlebt denn gelebt. Sie hatte die besten Jahre ihres Lebens verloren, Jahre, in denen sie sich hätte verabreden, verlieben sollen, an ihrer Karriere arbeiten, vielleicht sogar heiraten und Kinder bekommen. Sie war jetzt beinahe siebenundzwanzig Jahre alt, und sie war allein.
Blades Gesicht erschien vor ihrem inneren Auge – die männlichen Züge, seine schwarzen Augen, nicht kühl, sondern besorgt. Und sie sah noch etwas anderes, das ihr das Herz zusammenschnürte. Zärtlichkeit.
Sie hatte Blade die Zeit genannt, zu der ihre Schicht üblicherweise endete, und ihm verschwiegen, dass sie diesmal früher gehen würde. Auch wenn sie das Gefühl gehabt
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