Tiffany Duo Band 0142
hatte, ihn zu betrügen, sich selbst zu betrügen – die Entscheidung zu gehen hatte sie schon in der vergangenen Nacht getroffen. Wie sehr sie sich auch zu Blade hingezogen fühlte, wie gern sie sich auch an ihn gelehnt hätte, damit er ihre Probleme löste – sie wollte ihn nicht in Gefahr bringen.
Die Vorstellung, dass ihr Stiefvater Blade in irgendeiner Weise schaden könnte, machte sie wütend. Sie würde das nicht zulassen, genauso wenig wie sie es zulassen würde, dass Henry ihr weiterhin Leid zufügte.
Der Bus hielt an. Die Türen gingen auf, und sie stieg ein, entwertete ihre Fahrkarte und setze sich auf einen freien Platz. Sie achtete kaum auf die anderen Fahrgäste oder auf die Route, die der Bus nahm. Sie war vollkommen in Gedanken versunken.
Jahrelang hatte sie ihre Gefühle unterdrückt, sich zurückgezogen wie eine Schildkröte in ihren Panzer. So hatte sie überlebt. Manchmal fror sie so sehr, dass sie sich fragte, ob ihr jemals wieder warm werden würde.
Sie war so angespannt, hatte die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht, und Blade hatte das gespürt und ihre Schwäche ausgenutzt. Eine Berührung hatte genügt, ein Wort, ein Blick, und sie war bereit nachzugeben.
Er begehrte sie. Das hatte sie verstanden, aber sie wusste auch, dass es eine Katastrophe geben würde, wenn sie ihn noch weiter in ihr Leben einließ. Er würde dafür sorgen, dass sie ihn liebte.
Sie war doch jetzt schon auf dem besten Wege dazu, betört von seiner Stärke, seinem Humor, seiner Zärtlichkeit, seiner Sinnlichkeit.
Aber sie hatte nicht die Kraft, ihn zu lieben und zu verlieren. Sie hatte schon zu viel verloren.
Und ihn zu verlassen tat jetzt schon weh.
Blade traf früh bei
Joe’s
ein.
Er ging direkt zum Tresen und ließ den Blick über die Gäste schweifen.
Die Kellnerin an der Kasse runzelte die Stirn, als er nach Anna fragte. “Sie ist heute früher gegangen. Ich weiß nicht, wann genau, aber Jenna bedient jetzt an ihren Tischen.”
Mühsam unterdrückte Blade seinen Zorn. Gewöhnlich verlor er niemals die Beherrschung. Jetzt passierte ihm das ständig. “Weiß irgendjemand, wann sie gegangen ist?”
“Klar. Rafferty muss sie am Ende der Schicht ausgezahlt haben. Wollen Sie mit ihm sprechen?” Sie lächelte, als handelte es sich um einen Scherz. Doch als Blade grimmig nickte, deutete sie zur Seite. “Gehen Sie durch. Sein Büro ist das zweite von rechts.”
Rafferty sprang von seinem Stuhl auf, als er die Schritte vor der Tür hörte, wobei er beinahe den Whisky über die Papiere auf seinem Schreibtisch schüttete. Die Bürotür wurde aufgerissen, als er die Flasche auffing, sie verschloss und in die Schreibtischschublade legte. Er war wütend, denn alle Angestellten wussten, dass sie erst klopfen und dann warten sollten, bis er sie hereinrief.
Der Mann vor ihm trug dieselbe Freizeitkleidung wie die meisten anderen bei
Joe’s
: Jeans, T-Shirt, Lederjacke, langes schwarzes Haar zum Zopf gebunden, aber damit endete die Ähnlichkeit auch schon. Er war groß, breitschultrig, durchtrainiert und hatte ein intelligentes Gesicht. Er wirkte ruhig und abwartend und damit gefährlich. Rafferty schob sich weiter zurück in seinen Stuhl. Er wusste nicht, was der Fremde wollte, aber er war überzeugt, dass es ihm nicht gefallen würde. “Wenn Sie die Bar suchen”, sagte er kurz, “dann sind Sie hier falsch.”
“Wo die Bar ist, weiß ich”, sagte der Fremde sanft. “Ich suche Anna Johnson.”
Rafferty zuckte zusammen. Hitze stieg ihm in die Wangen, und sein Herz schlug so heftig, dass er einen Moment lang kaum Luft bekam. “Anna Johnson.” Er versuchte, verwirrt auszusehen. “Tut mir leid, aber ich kenne niemanden, der so heißt.”
Behutsam schloss der Fremde die Tür hinter sich und kam weiter in den Raum, stützte beide Arme auf den Tisch und beugte sich vor. So nahe, dass Rafferty die Warnung in seinem Blick deutlich erkannte.
“Sie hat hier heute Nachmittag gearbeitet”, sagte der Mann leise, “und mir Kaffee serviert.”
Rafferty zog sich so weit zurück, dass sein Stuhl nach hinten kippte und gegen einen Schrank stieß. “Wenn sie hier gearbeitet hätte, wüsste ich es. Ich kann Ihnen nicht helfen.”
“Ich wette, Sie können, wenn Sie sich nur richtig bemühen.”
Blade musterte Rafferty gründlich. Seine Finger zuckten. Er musste sich sehr beherrschen, um den Mann nicht über den Tisch hinweg an seinem zu engen Kragen zu packen. Wenn er Raffertys Hals so nahe kam, wäre die
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