Tiffany Duo Band 0147 (German Edition)
gewusst, natürlich nicht. Und doch konnte sie sich noch immer nicht bei ihm entschuldigen. Noch nicht. Sie war noch zu aufgebracht.
Sie wollte ihn drängen, schneller zu fahren, aber als sie einen Blick auf den Tacho warf, sah sie, dass die Nadel zwischen fünfundachtzig und neunzig Meilen pendelte. Das war schnell genug. Dominics Gesicht blieb eine undurchdringliche, angespannte Maske. Wieder musste sie sich fragen, ob sie nicht zu viel von ihm erwartet hatte. Hätte sie ihn überhaupt in die Sache mit hineinziehen sollen? Und was wäre anders gewesen, wenn sie es nicht getan hätte?
Hätte sie? Sollte sie? Was wäre gewesen, wenn?
Jordan schloss die Augen. Ihre Selbstzweifel machten sie noch verrückt. Wie sehr sehnte sie sich nach Trost und innerem Frieden!
Irgendwann schlief sie ein und hatte denselben Traum, den sie nach dem Unfall monatelang immer wieder gehabt hatte. Michael starrte sie aus seinem kleinen Gesicht durch das Rückfenster eines Autos an. Er sagte etwas, aber sie konnte nicht verstehen, was. Dann weitete sich das Fenster plötzlich, und er reckte ihr die Ärmchen entgegen. Sie konnte sich jedoch nicht bewegen, und er kam auch nicht näher. Beide verharrten reglos auf der Stelle. Und dann löste er sich plötzlich in Luft auf. Einfach so. Er war fort.
Jordan schrak mit klopfendem Herzen aus dem Schlaf hoch, einen ekelhaften Geschmack im Mund. Sie schaute sich wild um, bis ihr einfiel, wo sie war.
“Bist du okay?”, erkundigte Dominic sich.
“Wie lange habe ich geschlafen?”
“Fünf Minuten.”
“Oh.” Sie fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, dann nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Dominic kramte in seiner Tasche, holte einen Streifen Kaugummi heraus und hielt ihn ihr hin. Seine Kaugummivorräte schienen unerschöpflich.
“Danke.” Sie nahm den Kaugummi, wickelte ihn aus und steckte ihn in den Mund. Er schmeckte erfrischend, fast ein bisschen zu süß.
Jordan hatte noch immer Mühe, das schmerzliche Bild von Michael loszuwerden. Er hatte sie so sehnsüchtig angeschaut. Würde sie ihn jemals wiedersehen?
“Bist du wirklich okay?”
Dominics Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie schrak zusammen und schaute ihn an. Seine Miene war immer noch undurchdringlich, aber in seiner Stimme hörte sie Sorge um sie mitschwingen. “Ja.”
Er nickte und konzentrierte sich wieder auf die Straße.
War sie immer noch wütend auf ihn? Nein. Während der fünf Minuten, in denen sie fest geschlafen hatte, war ihr Zorn verraucht. Er hatte keine Schuld. Alles Mögliche hätte schiefgehen können.
“Dominic?” Sie schaute ihn an.
“Hm?”
“Entschuldige, dass ich dich so angebrüllt habe. Ich war völlig außer mir.”
Er wandte kurz den Kopf, aber die Sonnenbrille verhinderte, dass sie in seinen Augen lesen konnte. Dann zuckte er die Schultern und konzentrierte sich wieder auf die Straße. “Schon gut.”
Sie schaute ihn noch eine Weile an, aber es war offensichtlich, dass er jetzt nicht reden wollte.
Nein, sie würde ihm keine Vorwürfe mehr machen. Während sie sich das vornahm, schoss ihr ein neuer Gedanke durch den Kopf. Gestern – war es wirklich gestern gewesen? Nein, heute früh war ihr klar geworden, dass sie diesen Mann liebte. Und dieses Gefühl war selbst jetzt, wo sie wütend auf ihn war und so große Angst um Michael hatte, immer noch unvermindert da.
Seltsam, dachte sie. Eine aufblühende Liebe inmitten eines Albtraums.
Der Albtraum aber war noch längst nicht zu Ende. Nachdem sie gegen Abend endlich in Buttonhollow angekommen waren, erwies sich der Besuch bei Myras Eltern, wo sie sich als Polizisten ausgaben, als eine herbe Enttäuschung. Die beiden waren anständige Leute, denen die Sorge um ihre Tochter ins Gesicht geschrieben stand. Sie konnten Jordan und Dominic jedoch nicht weiterhelfen. Myras Vater berichtete, dass seine Tochter am Morgen völlig überstürzt mit dem Jungen weggefahren sei, ohne zu sagen, wohin sie wollte. Der einzige Lichtblick in der ganzen Angelegenheit war, dass sie von Myras Eltern die Autonummer ihrer Tochter sowie die Adresse der Kindertagesstätte erfuhren, in der Myra ihren Sohn untergebracht hatte.
Als sie wieder im Rover saßen, gab Dominic sofort eine Suchmeldung nach Myras Wagen heraus. Dann schlug er vor, dass sie sich zum Übernachten ein Motelzimmer suchen und gleich morgen früh um sieben bei der Kindertagesstätte vorbeischauen sollten. Vielleicht konnten sie ja dort etwas über Myras Verbleib in Erfahrung
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