Tiffany Duo Band 0147 (German Edition)
ihren Eltern gesehen hatte. Während sie früher blond, sexy und aufgedonnert gewesen war, wirkte sie jetzt wie eine etwas jüngere Ausgabe ihrer Mutter. Sie war wesentlich fülliger als auf dem Foto und bei ihren strohtrockenen, hellblond gefärbten Haaren zeigte sich ein breiter dunkler Ansatz. Sie trug eine schwarze Radlerhose mit einer langen weiten Bluse und verdreckte Turnschuhe. Auf ihrer Kleidung und ihrem Gesicht waren Schmutzspuren. Offensichtlich hatten Myra und Michael die Nacht auf dem Bauplatz verbracht.
Myra nahm den kleinen Jungen an der Hand. “Komm, Rory”, verlangte sie und begann, ihn wegzuziehen.
“Michael, nein!”, schrie Jordan.
Myra blieb abrupt stehen, fuhr herum und starrte Jordan an, wobei ihr eine Erkenntnis zu dämmern schien. Dann legte sie ihre Hände besitzergreifend auf die Schultern des Jungen und hob trotzig den Kopf. “Er heißt Rory.”
“Nein, das ist Michael.”
“Rory, habe ich gesagt. Ich weiß, wer Sie sind. Und Sie auch”, fügte sie mit einem schnellen Blick auf Dominic hinzu. Dann bückte sie sich und nahm den Jungen auf den Arm. Er ließ es sich widerspruchslos gefallen. “Sie bekommen ihn nicht”, sagte sie zu Jordan. “Er gehört mir.”
Während sie zurückwich, schaute sie auf der Suche nach einem Fluchtweg schnell nach rechts und links. Gleich darauf landete ihr Blick auf dem Rohbau auf der anderen Seite des Bauplatzes.
Myra zögerte nur den Bruchteil von Sekunden, dann rannte sie darauf zu und begann – erstaunlich flink für eine Frau mit ihrer Statur – eine Leiter hinaufzuklettern, die an einer Seite des Rohbaus lehnte. Dabei hielt sie Michael mit einem Arm, während sie sich mit der anderen Hand an den Sprossen hochzog.
Dominic versuchte unterdessen, über den Maschendrahtzaun zu klettern. Myra hatte inzwischen fast den Dachstuhl erreicht.
Sie hielt sich mit einer Hand an einer Sprosse fest und drehte sich zu Jordan und Dominic um, wobei die Leiter gefährlich ins Schwanken kam. “Halt!”, schrie sie. “Wenn Sie über diesen Zaun kommen, springe ich. Mit Rory!”
Dominic, der eben sein rechtes Bein über den Zaun schwingen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. Seine Hose war zerrissen und seine Hände bluteten. Jordan sah entsetzt von Myra zu Dominic und wieder zurück zu Myra. Wenn die Frau durchdrehte und ihre Drohung wahr machte, konnte es in einer Katastrophe enden. Nein, nein, nein, dachte Jordan. Das durfte sie nicht zulassen. Unter keinen Umständen!
“Dominic!”, schrie sie. “Komm runter.”
“Ich meine es ernst, Mister”, kreischte Myra. “Wenn Sie nicht sofort von dem Zaun runterkommen, springe ich. Ich schwöre es.”
“Dominic”, flehte Jordan. “Bitte, tu, was sie sagt.”
“Sie blufft nur”, meinte er mit zusammengebissenen Zähnen. “Sie springt nicht.”
“Das kannst du nicht wissen.”
Er starrte Myra wütend an. Dann kletterte er mit offensichtlichem Widerstreben wieder nach unten, wobei er leise in sich hineinfluchte.
Myra zog sich triumphierend die letzten zwei Sprossen zum Dachstuhl hoch, dann hockte sie sich mit Michael auf dem Schoß auf einen Dachbalken und ließ die Beine baumeln.
Keuchend von der Anstrengung schaute sie mit finsterem Gesicht auf Jordan und Dominic, dann stieß sie mit dem Fuß die Leiter weg. Der Balken, auf dem sie saß, ächzte bei der abrupten Bewegung warnend unter ihrem Gewicht, aber sie saß jetzt ganz still, und der Balken hielt.
“Er gehört mir”, schrie sie. “Sie bekommen ihn nicht.”
Jordan biss sich auf die Fingerknöchel, um nicht vor Verzweiflung laut los zu schreien. Wenn der Balken brach und Myra stürzte oder sprang, war es nur allzu wahrscheinlich, dass sowohl Michael wie auch Myra ernsthafte Verletzungen davontragen würden. An diese Möglichkeit durfte sie gar nicht denken.
“Versuch sie abzulenken”, verlangte Dominic. “Rede mit ihr. Ich versuche, irgendwo ein Schlupfloch zu finden und mich von hinten an sie anzuschleichen.”
Jordan nickte und atmete tief durch, dann begann sie ihrerseits an dem Zaun hochzuklettern. Der Maschendraht schnitt ihr in die Handflächen, und es war schwierig, mit den Füßen Halt zu finden, aber sie schaffte es ein ganzes Stück weit, bevor Myra schrie: “Stopp! Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich sonst springe.”
Jordan sah aus dem Augenwinkel, dass Dominic in dem Wäldchen neben dem Bauplatz verschwunden war, ohne dass Myra es bemerkt hatte. Sie krallte ihre Finger in den
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