Tiffany Duo Band 0147 (German Edition)
bringen. Jordan, die ebenso wie Dominic todmüde war, erklärte sich sofort einverstanden.
Am nächsten Morgen machten sie als Erstes bei den Kaczmaraks Halt, die jedoch nichts von Myra gehört hatten. Punkt sieben waren Dominic und Jordan in der freundlichen Kindertagesstätte. Jordan mischte sich nicht ein, als Dominic der Leiterin Fragen über Myra stellte. Obwohl Jordan am Abend zuvor wider Erwarten sofort eingeschlafen war, fühlte sie sich heute völlig ausgelaugt. Die Angst um Michael zerrte schrecklich an ihren Nerven, und sie wusste es. Von daher verzichtete sie darauf, der Frau ebenfalls Fragen zu stellen, in der Befürchtung, womöglich etwas Falsches zu sagen.
Sie mussten dringend weiterkommen, wenigstens ein winziges Stückchen, sonst würde sie noch den Verstand verlieren. Irgendwer musste doch einfach irgendetwas wissen, musste doch etwas gesehen haben …
“Entschuldigen Sie?” Jordan fühlte, dass ihr jemand auf die Schulter tippte.
Sie drehte sich um. “Ja?”
Sie sah sich einer freundlich dreinschauenden Kindergärtnerin mit Sommersprossen und rotem kurz geschnittenen Haar gegenüber, die ein Kind auf dem Arm hatte. “Sie suchen Myra Kaczmarak, stimmt’s?”
Jordan war sofort wie elektrisiert. “Ja.”
“Ich habe ihr Auto gestern Abend in dem Wäldchen in der Nähe der Siedlung, in der ich wohne, gesehen. Aber nur das Auto, sie nicht.”
Die Kindergärtnerin wohnte zwanzig Meilen außerhalb der Stadt in einer Vorstadtsiedlung, die in den siebziger Jahren erbaut worden war. Myras Auto stand, genau wie sie gesagt hatte, am Rand eines kleinen Wäldchens, das an ein Baugelände mit zwei sich im Rohbau befindlichen Häusern grenzte. Bauarbeiter waren nirgends zu sehen.
Dominic kämmte schnell das Wäldchen durch, aber dort war niemand, dann ließ er seine Blicke über den durch einen Maschendrahtzaun gesicherten Bauplatz schweifen, auf dem zwischen Bergen aus Bauschutt und Sand ein Zementmischer und ein Bagger standen.
Auf der Suche nach einem Schlupfloch ging Dominic um den Zaun herum. Er hatte gerade die Hälfte des Wegs zurückgelegt, als er Jordan leise “Michael?” rufen hörte.
Er drehte sich um und sah, wie sie reglos auf das Baugelände starrte. Seine eigene Sicht war durch einen der Rohbauten behindert. Eilig ging er zurück zu der Stelle, wo sie immer noch wie angewurzelt stand und erneut leise nach Michael rief.
Und dann sah Dominic ihn. Ein kleiner Junge, der zwischen zwei Zementhaufen vor einem der im Rohbau befindlichen Häuser stand. Er hatte weißblondes Haar und lutschte an seinem Zeigefinger. Mit der anderen Hand drückte er sich einen kleinen Teddybären an die Brust. Er hatte eine kurze Hose sowie ein kurzärmeliges T-Shirt an, und Arme und Beine wie auch sein Gesicht waren mit Schmutzspuren übersät.
Das Kind stand ganz still da und starrte Jordan an, die wieder leise rief: “Michael?”
Der Kleine legte den Kopf auf die Seite, dann machte er mit verdutztem Gesicht ein paar zögernde Schritte auf sie zu. Ein paar Meter vor dem Zaun blieb er stehen. Dominic beobachtete, wie Jordan ihre Hand durch den Maschendraht schob, winkte und zärtlich lächelte. Über ihre Wangen liefen Tränen.
Dominic kam näher, legte ihr eine Hand auf die Schulter und beobachtete den kleinen Jungen, der jetzt seinen Blick von Jordan losriss und Dominic anschaute.
Selbst auf die Entfernung hin erkannte Dominic das Gesicht auf Anhieb. Es war jetzt schmaler als auf den Fotos, die Jordan ihm gezeigt hatte, reifer. Die Nase, der Mund – ja, das hatte er alles schon mal gesehen.
Und natürlich kannte er diese Augen, die von einem ganz ungewöhnlichen Grün waren. Das waren ohne jeden Zweifel Jordans Augen.
Dominic schaute auf Michael Carlisle.
12. KAPITEL
Jordan wurde das Herz so weit, dass sie meinte, es könnte zerspringen. Ihr Sohn, ihr süßer, über alles geliebter kleiner Junge war nicht nur am Leben, sondern stand direkt vor ihr und schaute sie an. Und fast schien es so, als hätte er sie erkannt. Ihre Stimme schien ihm vertraut vorzukommen, das sah sie an der Art, wie er jedes Mal, wenn sie sprach, den Kopf auf die Seite legte.
“Hallo, Michael”, sagte sie wieder. “Kennst du mich noch? Aber wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, denn jetzt haben wir ganz viel Zeit.”
“Jordan”, flüsterte Dominic, als plötzlich wie aus dem Nichts eine Frau auftauchte.
Jordan sah sofort, dass es Myra war, wenn auch eine völlig andere Myra als die, deren Foto sie gestern bei
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