Tiffany Duo Band 0149 (German Edition)
kleinen Kindern gehörte, die sehr an ihm hingen, nahm die ganze Klinik an seinem Schicksal Anteil.
“Fein. Ich zieh mir nur eben den Kittel über, dann drehen wir eine Runde.”
“Klar, Dr. Campell.” Miguel lächelte, ohne sie anzublicken.
Antonia war sich ihrer einschüchternden Wirkung auf ihn bewusst. Allein ihre Größe von über eins achtzig und die kühle Ausstrahlung einer attraktiven Blondine von der Ostküste hatten dem armen Kerl schon bei ihrem ersten Besuch in der Klinik die Sprache verschlagen. Miguel war keine Ausnahme – auch andere Menschen reagierten eher verschüchtert auf Antonia. Dabei war sie von Natur aus eigentlich warm und herzlich. Doch die Erfahrung hatte sie gelehrt, sich zu schützen. Die Erziehung ihrer Mutter – “eine Dame weint nicht vor anderen Leuten”, “eine Dame zeigt ihre Gefühle nicht offen”, “eine Dame stellt keine neugierigen Fragen” – hatte ein Übriges getan. Antonia wirkte oft unnahbar, selbst wenn sie, wie meistens, ganz lässig in Jeans und T-Shirt gekleidet war.
Auch heute, in Arbeitskluft, die Haare zu einem schlichten Zopf geflochten und mit nur einem Hauch von Make-up, strahlte sie wie immer eine kühle Eleganz aus.
Antonia machte sich um ihr Aussehen generell keine Gedanken. Ihre Assistentin und Freundin Rita Delgado, die sich in allen Raffinessen der Kosmetik bestens auskannte, war immer wieder entrüstet, dass Antonia mit Feuchtigkeitslotion und Sonnencreme auskam. “Es ist einfach ungerecht”, pflegte sie zu sagen, “dass du dir überhaupt keine Mühe gibst, und trotzdem immer blendend aussiehst!”
Nachdem Antonia sich den weißen Kittel übergestreift hatte, traf sie Miguel vor der Tür, die zu den Patientenräumen führte. Sie untersuchte zuerst Dingo und wandte sich dann den anderen Tieren zu, um zu entscheiden, wer entlassen werden konnte.
Doch schon nach wenigen Minuten stürmte Lillian, die Empfangssekretärin, herein. Sie war eine Witwe mittleren Alters und führte die Klinik mit beinahe militärischer Disziplin.
“Dr. Campell!” Lillian sah besorgt aus. “Daniel Sutton hat gerade angerufen. Eine seiner Stuten hat Schwierigkeiten beim Fohlen. Er sagt, es solle sofort jemand vorbeikommen. Sie hat schon seit Stunden Wehen, und es sieht nicht gut aus.”
“Daniel Sutton?” Antonia knöpfte den Kittel bereits wieder auf. “War ich nicht letzte Woche auf seiner Ranch?”
“Nein, das war Marshall, sein Vater. Daniels Ranch liegt an derselben Straße, etwa zehn Minuten weiter. Marshall Sutton hat nur Rinder, Daniel ist Pferdezüchter. Er kennt sich aus – und wenn er sagt, dass etwas schiefläuft, dann stimmt es auch.”
“Okay, ich nehme den Transporter.” Antonia hängte den Kittel an einen Haken neben der Rezeption und griff sich den Wagenschlüssel vom Tresen, während sie Lillians Wegbeschreibung zuhörte.
Leichtfüßig lief sie die Treppen hinunter zu dem Transporter, der im Schatten eines Baumes parkte. Dr. Carmichael hatte ihr viele Anekdoten erzählt aus der Zeit, als er die umliegenden Farmen noch mit seinem klapprigen Geländewagen besucht hatte. Der moderne Transporter, den er heute benutzte, war ausgestattet mit einem Kühlschrank für verderbliche Arzneimittel, Spülbecken mit Wassertanks und jeglicher Art von Instrumenten, sodass unterwegs eine voll ausgestattete mobile Praxis zur Verfügung stand.
Als sie den Ortsrand von Angel Eyes erreichte, gab Antonia Gas, ohne sich um die Geschwindigkeitsbeschränkung zu kümmern. Zeit war ein wichtiger Faktor, wenn eine Stute beim Fohlen Probleme hatte, und in dieser ländlichen Gegend brauchte sie als Tierärztin keinen Strafzettel zu befürchten.
Sie fand die Ranch nach Lillians Wegbeschreibung ohne Probleme. Von der Landstraße bog sie auf einen Feldweg ein, der schließlich vor einem Stahltor endete. Als sie den Knopf der Gegensprechanlage drückte, öffnete sich das Tor sofort.
Eine tiefe männliche Stimme erklang aus dem Lautsprecher. “Ich bin im Fohlenstall, Doc. Beeilen Sie sich, es sieht nicht gut aus.” Tiefe Sorge schwang in den Worten mit.
Antonia raste die lange Auffahrt entlang, an deren Ende sie in der Ferne das Haus und die Ställe erkennen konnte. Ganz offensichtlich wurde auf dieser Ranch hart gearbeitet – die dekorativen Elemente, die man oft auf Hobbyfarmen sah, fehlten völlig. Alles war einfach, aber praktisch angelegt, von den schmucklosen Metallzäunen bis hin zu dem alten Haupthaus. Das ganze Gelände schien sauber und ordentlich,
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